Totentanz
drehte sich meistens um die gleichen Banalitäten: Wahrscheinlich wollte Pina ihm als erstem mitteilen, daß sie auf eigenen Wunsch versetzt würde oder nicht mehr mit seiner Assistentin Marietta zusammenarbeiten wollte, mit der sie sich im Dauerstreit befand, oder daß sie schwanger war, an Heimweh litt oder sich über- oder unterfordert sah, auf jeden Fall aber nicht genug gelobt fühlte. Doch als Pina einen Stapel Papier aus dem dicken Briefumschlag auf ihrem Schoß zog und vor ihm ausbreitete, begriff er rasch, daß er sich getäuscht hatte.
»Was ist das?« Laurenti zog die penibel gefalteten Blätter zu sich.
»Am Anfang habe ich darüber gelacht und den Mist weggeworfen«, sagte Pina betreten, »aber so langsam wird es mir zuviel.«
»Und was soll das alles? Fotos aus dem Mülleimer?«
»Lesen Sie auch die Sätze, die daneben stehen.«
»Willst du meinen Joghurt probieren?« Laurenti schüttelte den Kopf. »Ja und?« Er blätterte weiter. »Quattro salti in padella« war der Name eines Tiefkühlgerichts, das es in weiß der Teufel wieviel Varianten gab. Daneben stand: »Ich wende dich in meiner Pfanne, Hühnchen.« Auf dem nächsten Blatt die Aufnahme einer leeren Proseccoflasche minderer Güte: »Was hast du mit dem Korken gemacht, Flittchen?« Dann das Foto eines unbenutzten Tampons. »Deine Tage sind überfällig, Schlampe.«
Laurenti schüttelte den Kopf und blätterte weiter. Das nächste Foto war der Bildausschnitt eines Fahrradsattels, auf dem ein weibliches Gesäß in einer enganliegenden Fahrradhose saß, die deutlich über den Rundungen spannte. Von hinten aufgenommen. »Reibt es nicht ein bißchen?«
»Ein Künstler«, sagte Laurenti und verbot sich ein Grinsen. »Sind Sie das?«
Pina errötete nur kurz und nickte.
»Und der Rest?«
»Ich habe lange gebraucht, aber ich glaube, daß ich es so langsam begreife«, sagte Pina. »Das ist kein Witz. Das ist eine Bedrohung. Irgend jemand verfolgt mich.«
»Sie wollen doch nicht sagen, das dies hier alles Aufnahmen von Ihren Dingen sind?«
»Seit ich eine Liste der Gegenstände führe, die ich wegwerfe, weiß ich es.«
»Sie führen Buch über Ihren Hausmüll?« Laurenti lachte entsetzt auf.
»Doch. Inzwischen schon. Oder erinnern Sie sich etwa an alles, was Sie wegwerfen?«
Laurenti blätterte grinsend weiter. Shampoo, Klopapierrollen, Zahnpastatube, Zitronenschalen, Korken, Wasser-, Bier-, Wein- und Ölflaschen, Verpackungen von Fertiggerichten und Thunfischdosen, Zeitungen, Joghurtbecher, Müslikartons, die Schachteln vom Pizzaservice und vom Chinesen, Kassenbons von Supermärkten, Bars und Cafés. Dem Datum nach, das auf manchen Fotos zu erkennen war, aus der Zeitspanne von über einem Monat. Und fast überall deutlich zweideutige Bemerkungen. Schließlich der Stummel einer selbstgedrehten Zigarette, deren Form einem nicht zu Ende gerauchten Joint glich. Und der Kommentar bestätigte dies. »Nicht mit anderen teilen ist egoistisch! Warte auf meine Anweisungen!«
»Und das ist wirklich alles von Ihnen?«
Pina nickte.
»Sie sollten sich besser ernähren«, sagte Laurenti. »Der Mensch ist, was er ißt, sagt man.«
Pina schüttelte resigniert den Kopf. »Man wird zu einem gläsernen Wesen, wenn jemand im eigenen Müll schnüffelt.«
Laurenti hielt ihr das Blatt mit dem Joint vor die Nase. »Wann kam das an?«
»Der ist nicht von mir«, wehrte Pina wenig glaubhaft ab. »Ich brauche Ihren Rat. Was soll ich tun?«
»Fingerabdrücke? Ich nehme an, Sie haben die Blätter bereits untersuchen lassen.«
»Keine.«
»Wechseln Sie die Mülltonne. Werfen Sie Ihr Zeug woanders weg. Betreiben Sie Mülltrennung, dann wird es schwieriger, Ihnen nachzuschnüffeln. Wo haben Sie den Abfall bisher entsorgt?«
»In der Tonne in der Via Mazzini. Gegenüber dem Versicherungspalast.«
»Die halbe Stadt kommt dort vorbei.«
»Und trotzdem holt jemand meinen Müll aus der Tonne.«
»Rufen Sie, bevor Sie aus dem Haus gehen, einen Kollegen in Zivil mit einem Fotoapparat. Postieren Sie ihn an der Bushaltestelle gegenüber, und packen Sie den Müll in auffällige Plastiktüten, die leicht wiederzuerkennen sind«, sagte Laurenti und warf einen Blick auf seine Uhr. Warum mußte er sich jetzt auch noch mit solchen Kindereien herumschlagen? Seit sich die Wirtschaftskrise verschärft hatte, sah man immer häufiger vor allem alte Leute, die die Mülltonnen selbst im Zentrum nach Verwertbarem durchstöberten. Die Not war inzwischen größer als die Scham.
»Kein
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