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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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oder seine Schwester Tatjana in Triest. Die Welt, so seine Maxime, hatte sich nach ihm zu richten.
    Die Nachricht, daß die Insel in private Hände gefallen war, hatte anfangs für Aufregung und allerhand Spekulationen gesorgt. Zuerst hieß es, Porer sei das Versteck von Ante Gotovina, einem Kriegsverbrecher aus dem letzten Jugoslawienkrieg, dessen Auslieferung an den Internationalen Gerichtshof vor den Wahlen kein kroatischer Politiker zu betreiben wagte. Das Gerücht legte sich erst, nachdem der Ex-General diplomatisch geschickt während eines Urlaubs auf den Kanarischen Inseln festgenommen wurde und in den Genuß eines Freiflugs nach Holland kam, wo er auf seinen Prozeß wartete. Nur einmal noch gab es neue Gerüchte. Vom Festland aus war selbst ohne Fernglas die Fregatte aus der 6. amerikanischen Flotte zu sehen, die eine halbe Meile vor der Insel Anker warf. Eine Schaluppe hatte vier Männer übergesetzt, die in den Gebäuden verschwanden. Erst nach zwei Stunden wurden sie schließlich zum Kriegsschiff zurückgebracht. Irgend jemand raunte von einem kroatischen Guantanamo, einem der zahlreichen geheimen CIA-Gefängnisse für muslimische Terroristen, die in jenen Monaten die Medien beschäftigten, und wurde lautstark ausgelacht. Die aufkommende Geschäftigkeit des Sommertourismus an der Kvarner Bucht verwischte bald auch dieses Gerücht. Die Hochsaison stand vor der Tür, wer jetzt kein Geld verdiente, war ein Trottel, und solche Notizen waren keine gute Reklame.
    Die Firmen in Triest arbeiteten hervorragend, auf seine jüngere Schwester Tatjana konnte sich Viktor Drakič blind verlassen. Er hatte ihr diplomatischen Schutz besorgt, die Konsulatsräume wurden von dem Land bezahlt, mit dessen Außenminister er freundschaftlich wie geschäftlich eng verbunden war. Und Triest war ein unverzichtbarer Standort. Die CreaSell und die CreaBuy verwalteten Geld- und Warenflüsse, die CreaTec war im Forschungspark auf dem Karst angesiedelt. Eine kleine Firma mit drei Wissenschaftlern, die in seinen Diensten standen und offiziell in der Umwelttechnik forschten: Schwerpunkt agroindustrielle Abfälle und Asbestsanierung. Aber mehr noch hatten diese sauberen Experten mit der Erstellung gefälschter Gutachten zu tun für alle Arten von Abfällen und Abraum, die zur Entsorgung quer durch Europa geschickt wurden. Eines von Viktor Drakičs neuen Kerngeschäften, das er gemeinsam mit seinen italienischen Partnern betrieb.
    »Inzwischen wird mehr Müll produziert als neue Produkte. Europa braucht einfache Lösungen«, pflegte er zu sagen. »Einer muß den Dreck ja beseitigen, doch Dankbarkeit ist heute keine Tugend mehr.«
    Und noch ein Ziel hatte die CreaTec Enterprises: Drakičs chinesische Kunden waren brennend interessiert an Details über jeden erdenklichen technischen Vorgang. Der Leiter seines Labors schickte die Fotos, die er morgens im Speicher einer Digitalkamera auf seinem Schreibtisch fand, mit elektronischer Post an die CreaSell, und von dort gingen sie chiffriert an Drakičs Büro auf Porer, wo sie begutachtet und anschließend mit Rechnung an die Kunden weitergeleitet wurden.
    Das Geschäft lief wie am Schnürchen, Störungen waren nicht vorgesehen. Und so hatte Tatjana Drakič alias Petra Piskera die Forderung des Ehepaars Babič schwer verärgert. Noch fehlten ein paar wenige, aber wesentliche Details aus dem Labor der ISOL, dem Institut für Solartechnik, das mit revolutionären fotovoltaischen Folien von sich reden machte und laufend neue Patente anmeldete. Ein Markt der Zukunft, und die Chinesen waren ganz versessen auf diese Technik. Viktor hatte seine Schwester gedrängt, die Unterlagen so schnell wie möglich zu beschaffen, doch plötzlich machten die Babičs Probleme. Fünfzigtausend Euro, was bildeten sich diese Hausmeister eigentlich ein? Die beiden waren schon gut genug bezahlt. Heute abend sollte Babič liefern, morgen war Tatjana mit dem Ehepaar verabredet, um sie auszuzahlen. Doch sie hatte andere Pläne.
    *
    Die Sitzung in der Präfektur verlief zäh. Der Stadthalter Roms war so mieser Laune, daß er gleich alle zusammen zur Sau machte. Wahrscheinlich hatte er zuvor selbst Vorwürfe einstecken müssen. Das Land stand am Beginn eines erbitterten Wahlkampfs, und die Regierung war mit Sicherheit darauf aus, eine Erfolgsbilanz nach der anderen zu publizieren. So früh war die Schlacht noch nie eröffnet worden. Keine andere italienische Regierung hatte in den letzten sechzig Jahren eine ganze

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