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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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und mußte dies mittels der entsprechenden Empfangsdokumente bestätigen.
    Die drei Triestiner Betriebe hatten ihren juristischen Sitz in den Räumen des Konsulats in der Via Torbandena. Die Gesellschaftsanteile hielten vier Firmen aus Italien zusammen mit einer Holding auf Zypern. Als Geschäftsführer aller drei Betriebe fungierte ein emeritierter, vertrottelter Professor der Universität Udine mit Wohnsitz in Triest, der die Firmenräume so wenig betreten hatte wie das Notariat, in dem die Firmengründung besiegelt worden war. Petra Piskera, die Konsulin, führte die Geschäfte nach den Anweisungen ihres Bruders alleine – haftbar allerdings war sie laut Handelsregisterauszug nicht.
    Heute würde sie mit den Herren aus Reggio-Emilia Nägel mit Köpfen machen, die Verträge unterzeichnen und die Termine fixieren: den für die Abholung des Giftmülls, wie den für die Zahlungen. Je nach Problemhaltigkeit der Substanzen lag der Marktpreis für diese Form der Entsorgung zwischen einem und sechzig Cent pro Kilo. In diesem Fall mußte sie den Höchstsatz erzielen. Die Hälfte wollte sie heute als Vorauszahlung herausholen, die innerhalb von drei Tagen auf das Konto bei der Winterthurer Bank einbezahlt werden mußte. Schon König Midas hatte gezeigt, daß alles, was er berührte zu Gold wurde. Weshalb also nicht auch Viktor und sie?
    *
    Pina Cardareto kehrte wie jeden Morgen um sieben Uhr dreißig von ihrer üblichen Fahrradtour über die Küstenstraße bis zur »Bar Bianco« zurück, dem Molkereiverkauf von Duino, wo sie stets Pause machte und einen Liter frische Milch hinunterstürzte. Verschwitzt lehnte sie das Fahrrad im Hausflur gegen die Wand. Ein Stück Papier ragte aus ihrem Briefkasten, ihre gute Laune war wie weggewischt. Die Portiersloge war leer, keiner da, der etwas gesehen hatte. Sie zog das Blatt Papier heraus und faltete es auf. Die Wiedergabe einer Quittung über die Auszahlung von 472 Euro des Spielcasinos im slowenischen Nova Gorica mit dem obligatorischen Kommentar des Absenders: »Spiel du den Bullen, ich mach dir dafür den Stier, du Kuh.«
    Sie hatte es längst vergessen: Einmal nur war sie im Casino gewesen, ganz am Anfang ihres Dienstes in Triest, als sie in Gorizia ihren Vorgänger Antonio Sgubin aufgesucht hatte. Noch immer war der Taxifahrermord nicht aufgeklärt, den sie von ihm übernommen hatte, und es gab Hinweise darauf, daß einige der Fahrer in die Casino-Szene jenseits der Grenze verwickelt waren. Sie erhielten Provision, wenn sie Gäste dorthin brachten.
    An einem Samstag nachmittag war sie mit dem Fahrrad ins vierzig Kilometer entfernte Gorizia gefahren und frühmorgens ohne Licht am Rad zurück, was sie später als Russisch Roulette bezeichnete, denn zweimal mußte sie ihr Leben vor wild hupenden Suffköpfen mit einem beherzten Satz in den Straßengraben retten. Sgubins Angebot, bei ihm zu übernachten, hatte sie freundlich ausgeschlagen. Um Mitternacht hatten sie das Spielkasino in Nova Gorica, jenseits der Grenze, betreten. Pina staunte. Sie wollte sich nur einen Eindruck verschaffen, um einen Mordfall aufzuklären, und ärgerte sich, daß sie trotz ihrer sportlichen Kleidung immer wieder unmißverständlich von Männern angesprochen wurde, die kaum zum Roulette hierhergekommen waren. Sie sah nun wirklich nicht aus wie eine üppige blonde Russin. Also hatte sie ein paar Chips erworben und war mit Sgubin zum Tisch gegangen. Das einzige, was sie später mitnahm, war ein kleiner Gewinn. Und Sgubins Wunsch, sie bald wieder zu treffen, was sie mit einem süffisanten Lächeln quittierte.
    Wieder betrachtete sie das Blatt, das sie aus dem Briefkasten gezogen hatte. Wer war das Schwein, das sie verfolgte? Sie mußte sich etwas einfallen lassen, um den Kerl zu überführen. Sollte sie wirklich einen der Kollegen einweihen? Dann könnte sie die anonymen Botschaften gleich ans Schwarze Brett hängen. Pina warf einen Blick auf die Uhr. Es war Zeit, zu duschen und ins Büro zu gehen. Laurenti hatte ihr gestern schon gesagt, daß sie in Balkantown durchgreifen würden.
    Wenig später fuhr Pina mit dem Aufzug wieder ins Parterre und klopfte an der Hausmeisterloge. Den Müllbeutel trug sie in der linken Hand. Es dauerte lange, bis der Mann im grauen Arbeitsmantel sich blicken ließ.
    »Kommen Sie in einer Viertelstunde wieder«, sagte er mürrisch, bevor sie sich vorstellen konnte. Sie hatten noch nie miteinander gesprochen. Aus der Loge hörte sie das Geräusch eines leise gestellten

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