Totentanz
an seine überraschenden Einfälle gewöhnen, die manchmal so absurd waren, daß ihr die Haare zu Berge standen. Dieser Mann war wirklich durch keinen anderen zu ersetzen. Manchmal war er haarsträubend komisch. »Kommt gar nicht in Frage«, sagte sie entschieden und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Warum denn?« Laurenti ließ nicht locker. »Einmal habe ich sogar meinen Dienstwagen hochgebracht, den reparierte er kostenlos.«
»Und in der Zwischenzeit hat er damit wahrscheinlich ein krummes Ding gedreht.«
»Quatsch. Zwanzig Euro Trinkgeld, und die Sache war geritzt. Besser als Formulare auszufüllen und genau zu beschreiben, was passiert war, und dann im Büro das Geläster anhören zu müssen.«
»Laurenti, du bist wirklich komisch. Mach, was du willst, aber mein neues Auto bringe ich in eine richtige Werkstatt.«
*
»Glänzend gearbeitet, Tatja.« Das breite Lächeln Viktor Drakičs strahlte weißer als Zahnpastareklame. In Polohemd und Bermudas saß er auf einer Terrasse am Fuß des Leuchtturms, hatte den Hörer unters Kinn geklemmt und freute sich des Lebens. Sein Blick schweifte über die Adria, die seine Insel umspülte. Eine aufkommende Brise zerpflückte die schwarzen Wolken, die am frühen Morgen aufgezogen waren. Dieses Farbenspiel liebte er: smaragdgrün und kobaltblau das Wasser, die Gischt so weiß wie seine Zähne, und der Himmel wie aus der Meisterhand des Giorgione – nicht einmal die schlafende Venus fehlte. Sie war gerade aufgewacht und saß neben ihm am Frühstückstisch, nur eine leichte Seidenstola über der Schulter, deren Türkis sich fabelhaft mit dem Naturschauspiel in der Kvarner Bucht vertrug.
Viktor war eine Stunde vor ihr auf den Beinen gewesen, war ein paar Züge im Meer geschwommen, hatte die elektronische Post überprüft und umgehend seine Schwester angerufen, um sie zu beglückwünschen. Er war mehr als zufrieden, denn die Fotos der Baupläne, die Damjan Babič zuletzt geliefert hatte, waren die fehlenden Elemente, auf die seine Kunden in Shanghai dringend warteten. Sie drängten immer heftiger, das Material in die Hand zu bekommen. Doch so einfach würde es dieses Mal nicht gehen. Viktor Drakič wollte seinen Gewinn verdoppeln. Entweder sie würden ihren bisherigen Einsatz noch einmal bezahlen, oder sie könnten bis zum Ende ihrer Tage auf die Informationen warten. Abnehmer dafür fände er überall. Er war inzwischen ausreichend vernetzt und China nicht das einzige Land, das Produktpiraterie betrieb.
»Ein großer Tag, meine Liebe.« Viktor Drakič schob den Fuß seiner Venus vom Oberschenkel. »Zum Mittagessen erwarte ich die Amerikaner. Ich glaube, daß die Leute auf dem Festland sich wieder einmal wundern werden, wenn sie das Kriegsschiff sehen. Aber das ist ihr Problem. Was hast du als nächstes vor?«
»Kommen Sie wegen deines Spielzeugs?« fragte Tatjana Drakič alias Petra Piskera.
»Ja, sie wollen unbedingt meine Geliebte kaufen.« Er runzelte die Stirn, als seine Venus den Mund verzog. Seit vier Monaten liefen die Verhandlungen über das modernste Scharfschützengewehr der Welt, und sie waren alles andere als einfach gewesen. Er hatte darauf bestanden, ihnen die Waffe ausschließlich in der Fabrik in Winterthur vorzuführen. Hätte er sie zur Probe geliefert, wäre sie umgehend in ihre Einzelteile zerlegt, das Material bis ins letzte Molekül in den Labors des Pentagons analysiert worden, und er hätte anschließend in die Röhre geschaut. Amerikaner, Chinesen, nein, einen Drakič legte man nicht herein. Dafür hatte er zu lange und zuviel in die Entwicklung investiert.
Das Resultat der Tests war schließlich genau so ausgefallen, wie er es versprochen hatte. Die hohen Offiziere und die Spezialisten des Pentagon waren beeindruckt von dem Zusammenspiel von einfachem Handling, minimalem Gewicht und bisher unerreichter Zielgenauigkeit auf weite Entfernungen. Diese Waffe konnte Kriege verändern. So weit wie nie vom Ziel entfernt und in der Wirkung näher, als der Feind ahnen konnte. Der lange Arm des Todes, ein Kinderspiel.
»Ich habe heute das Gespräch mit den Herren aus Reggio-Emilia. Sie stehen ziemlich unter Druck. Es handelt sich um über zweitausend Container umdeklarierten Abraums.« Tatjana Drakič war im Gegensatz zu ihrem Bruder schlecht gelaunt. Die Planungen ließen ihr kaum die Zeit zum Atmen, und auch die Auftragsvorbereitung hatte es in sich. Ihre Geschäftspartner drängten auf einen raschen Abschluß, was wenigstens den Preis nach
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