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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Stadtplan um die Piazza Garibaldi herum. Ist Pina da?«
    »So ausgeschlafen habe ich dich lange nicht erlebt, Proteo«, sagte Marietta.
    »Müdigkeit ist lediglich ein psychosomatisches Symptom.«
    Sie hatten alles bis ins letzte Detail besprochen. Das Protokoll der Zuständigkeiten und der Maßnahmen, die noch zu treffen waren, führte Pina. Morgen würden die Sicherheitskräfte den Großeinsatz in Balkantown durchführen, der mindestens eine Seite der Zeitung füllen würde. Questore und Präfekt würden zufrieden sein. Doch Laurenti und seine Kollegen waren sich schnell darüber einig, daß die Operation kaum mehr als Aufsehen bringen würde. Diese Einschätzung stand nicht im Protokoll.
    Der wirkliche Einsatz käme nach der Razzia, wenn sich in ein paar Tagen alles wieder beruhigt hätte. Dann würden sie sich den Mann schnappen, der die Arbeiter auf der Piazza Garibaldi abkassierte und ihm die beiden Gorillas auf den Hals gehetzt hatte.
    »Nehmen wir es sportlich, Signori. Im Zweifel wird es nur eine gute Einsatzübung«, sagte Laurenti, als er die anderen mit Handschlag verabschiedete. »Unseren Leuten tut sie auf jeden Fall gut.«
    *
    An diesem raren Spätsommertag schien die Stadt wie ausgestorben. Brach die Sonne einmal für längere Zeit durch die Wolkendecke, erreichte die Quecksilbersäule weit über dreißig Grad. Heute aber war die Hitze dank einer leichten Brise vom Meer erträglich. Außer den Gastwirten und ihrem Personal schienen alle Triestiner am Meer zu schmoren. Wer wußte schon, wie lange die regenfreien Tage hielten. Laurenti war von der Sitzung direkt in die Città Vecchia hinübergegangen, die nach jahrzehntelangem Schlummer endlich wieder vorzeigbar wurde und sich mit ihren engen Gassen zu einem schmucken Viertel entwickelte. Die meisten Lokale dort lagen ihm nicht, doch in der »Antica Ghiacceretta« seiner Freunde Bruno und Cynthia aß er gerne zu Mittag. Endlich war auch der kleine Platz vor dem Lokal gepflastert. Ein paar Tauben staksten gurrend herum, und auf den Dachrinnen saßen ihre krummschnäbeligen Feinde, die alle ihre Bewegungen beäugten. Im Gegensatz zum Wirt genoß es Laurenti, daß heute einmal Tische draußen frei waren.
    »Du leidest doch nicht etwa an Schlaflosigkeit«, sagte Laurenti, als er die dunklen Ränder um Brunos Augen sah.
    »Diese Stadt lebt mit dem Wetter«, antwortete sein Freund. »Wenn es kalt ist, verkriechen sich alle hinterm Ofen, und keine Menschenseele traut sich auf die Straße, doch kaum steigt die Temperatur, dann scheint niemand mehr ein Bett zu Hause zu haben. Sogar Cynthia hat sich den Nachmittag freigenommen. Wenn ich mich nicht täusche, ist sie mit deiner Assistentin verabredet. Sie wollten zusammen baden gehen.«
    »Das war gestern«, lachte Laurenti. »Sie hat doch nicht etwa einen Liebhaber?«
    Bruno winkte ab. »Was magst du essen? Heute früh bekam ich noch einmal Makrelen rein, obwohl die Saison eigentlich vorüber ist. Sie sind so frisch, daß sie dir geradezu auf den Teller springen.«
    Bruno mußte ihn nicht lange überzeugen. Der Pesce azzurro aus dem Triestiner Golf gehörte zu Laurentis Lieblingsgerichten. In jeder Art und Form: Sardellen, Sardinen, Makrelen, Thunfisch … Roh, gesalzen und in Olivenöl eingelegt, fein mariniert, an einer Pasta, paniert, gegrillt, fritiert. Während Bruno die Order zur Küche und kurz darauf einen halben Liter Wein herausbrachte, vernahm Laurenti eine Stimme, die ihm allzu bekannt vorkam. Er nahm rasch die Zeitung, die auf dem Nebentisch lag und versteckte sich hinter ihr. Das Gepolter des dicken Bürgermeisters war schon von weitem zu hören. Der Mann, der zu jenem Typus alternder Männer gehörte, die sich ihre Anzüge stets eine Nummer zu klein kauften, weil sie hofften, noch einmal abzunehmen, steuerte, begleitet von einer kleinen Schwadron Anhänger, über die Piazzetta direkt aufs Lokal zu. Warum mußten sie sich gerade mal ein paar Tische weiter niederlassen, anstatt sich einen Platz im klimatisierten Saal zu suchen? Mürrisch beschloß Laurenti, sich selbst reinzusetzen. Als er aufstand, hatte ihn das Stadtoberhaupt schon ausgemacht.
    »Ah, der Vicequestore. Guten Tag, Laurenti.«
    Proteo setzte ein falsches Lächeln auf und nickte ihm zu.
    »Hast du schon die Sache mit der Bombe aufgeklärt?« Wie Galvano duzte der Mann fast jeden.
    »Totale Informationssperre«, log Laurenti, so freundlich er konnte.
    »Vielleicht komme ich mal bei euch vorbei, um nach dem rechten zu sehen.« Er war

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