Totentanz
oben trieb. »Kannst du sie unterbringen?«
»Vierzigtausend Tonnen nur? Allein für den Restausbau der Autobahn Ljubljana–Zagreb besteht ein Riesenbedarf an Unterbaumaterial, und dann ist da noch die Strecke von Zagreb nach Split.«
»Das Gesamtkontingent ist dreimal so hoch. Aber es drängt. Die Deponie bei Pavia muß bis Monatsende zur Hälfte geräumt sein, sonst fallen Konventionalstrafen an.« Tatjana grauste die Vorstellung, ihre Gewinne durch Organisationsmängel geschmälert zu sehen. »Und wie muß das Material deklariert werden?«
»Als wiederverwertbar. Ein Viertel als Kompost mit Zertifikat aus biologischem Betrieb. Zur Aufbereitung als Blumenerde, Gartendünger in einem kroatischen Betrieb. Der andere Teil als Unterbaumaterial mit den entsprechenden technischen Anforderungen, die deinen Leuten vorliegen.« Viktor Drakič runzelte die Stirn und stand auf. Seine Venus hatte damit begonnen, sein Hemd aufzuknüpfen, doch er wollte in Ruhe reden. »Wann kann das Zeug eintreffen, und wie wird es transportiert?«
»Es dauert etwa eine Woche, bis die Frachtpapiere und die Gutachten über die Umweltverträglichkeit erstellt sind. Ich bin mit dem Landweg nicht glücklich. Zu aufwendig.« Tatjana klang nicht besonders enthusiastisch, obgleich sie es war, die dieses Geschäft angeschoben hatte. Sie hatte den Eindruck, ihr Bruder sei nicht ganz bei der Sache. »Hörst du mir überhaupt zu, Viktor? Zweitausend LKWs über zwei Grenzen zu schicken ist kein Kinderspiel.«
»Ein Drittel leitest du mit normalem Avis in die steirische Deponie Frohnleiten.«
»Dann brauche ich die Transportgenehmigungen des Export-, des Transit- und des Empfängerlandes. Ganz schön aufwendig.«
»Wo ist das Problem? Du hast alle Zugänge und Dokumente, die nötig sind, oben in der CreaTec. Die akzeptiert jeder Straßenpolizist. Unterwegs werden die alten Frachtpapiere gegen die neuen ausgetauscht. Wieviel verdienen wir?«
»0,7 Cent pro Kilogramm.«
»Gewaltig«, antwortete ihr Bruder. Er hatte die Summe im Kopf überschlagen. Das Gesamtkontingent konnte fast neun Millionen Euro bringen. Dafür lohnte sich der Streß.
»Der Seeweg nach Split wäre die bessere Alternative. Kannst du das regeln? Hast du die Leute am Zoll im Griff?« fragte Tatjana.
»Zwanzig Prozent des Materials, achttausend Tonnen mindestens, brauchen wir beim Autobahnbau im Norden.« Unnötig, ihre Frage zu beantworten. Die Einfuhr zu regeln war das geringste Problem. Die Behörde hatte er in der Hand. »Und wo willst du die Ware verschiffen?« Viktor Drakič gab seiner Venus, die immer noch nicht von ihm lassen wollte, einen heftigen Schubs, der sie auf ihren Stuhl zurückwarf, wo sie mit einem dicken Schmollmund sitzen blieb.
»Ancona oder Venedig.«
»Warum nicht in Triest?«
»Zu schwierig. Sie kontrollieren zuviel in letzter Zeit. Auch bei der Ausfuhr. Man langweilt sich wohl bei den Behörden.«
»Habsburger Bürokratiewahn, sonst nichts.«
Kadmium, Chrom, Quecksilber, Zink, Nickel und Asbest. Bevor Ende der Neunziger die Kontrollen verschärft wurden, hatten sich einige Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie aus der Peripherie Mailands jahrzehntelang einiger Entsorgungsbetriebe bedient, die für einen Bruchteil der sonstigen Gebühren arbeiteten und die Industrieabfälle auf wilden Deponien einlagerten. Aufgegebene Gehöfte in der Po-Ebene, deren Nebengebäude bis unters Dach mit dem giftigen Material gefüllt wurden. Gleich danach hatten die Entsorgungsbetriebe einer nach dem anderen Konkurs angemeldet, die Unterlagen verschwanden bei mysteriösen Bränden in den Büroräumen. Damit war keine Spur mehr über die Herkunft des Materials zu verfolgen, das zum Problem des Steuerzahlers wurde. Die lombardische Staatsanwaltschaft und eine auf Umweltdelikte spezialisierte Sondereinheit der Carabinieri hatten in einer großangelegten Operation namens »Houdini« die Sache auffliegen lassen. Ein Richter verfügte zwar die ordnungsgemäße Entsorgung, und der kommissarische Verwalter übertrug diese einer Firma in Reggio-Emilia, die einen guten Leumund hatte. Doch damit war das Geschäft mit dem Gift noch lange nicht zu Ende, denn diese wiederum bediente sich der CreaTec Enterprises im Wissenschaftspark auf dem Triestiner Karst, die das Transportgeschäft zu den Sondermülldeponien an die CreaBuy Consultants verkaufte. Die dritte Firma, die CreaSell Experts, war schließlich dafür zuständig, daß das Material vom Bestimmungsort angenommen wurde,
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