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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Blick. Im vorderen Teil des Flurs waren Fußboden und Wände von Blutspritzern übersät. Hier hatte eindeutig ein Kampf stattgefunden. Doch solche Spuren stammten weder von einer Messerstecherei noch von einem Schußwechsel, und die Wunden am Kopf der Rothaarigen auf keinen Fall von Hieben mit einem stumpfen Gegenstand.
    Der erste Donnerschlag des aufziehenden Gewitters drang aus der Ferne herüber. »Ziehen Sie Ihre Pistole«, flüsterte er dem Uniformierten zu. »Wir gehen hinein.« Laurenti selbst trug keine Waffe. Vermutlich hätte er nicht einmal auf Anhieb sagen können, wo sie sich befand, so lange hatte er sie nicht mehr benutzt. Sie hörten die Sirene des Rettungswagens und das knarzende Parkett unter ihren Schritten. Im vordersten Raum stand eine kleine Flagge auf einem leeren Schreibtisch. Dieses Konsulat schien nicht viel Arbeit zu haben. Nicht einmal ein Telefon gab es hier.
    Der Kampf hatte eindeutig im vorderen Teil des Flurs stattgefunden. Die Gläser von zwei Bilderrahmen mit billigen Drucken waren auf dem Boden zersprungen, die hinteren Räume ganz offensichtlich durchsucht worden, Schreibtische und Böden mit Papieren übersät, Schubladen und Schranktüren standen offen. War die Schwerverletzte in diesen Räumen bei einem Einbruch überrascht worden? Was hatte sie hier gesucht? Und wer hatte sie gestellt? Und diese beiden Firmen? Ihre Namen konnten alles bedeuten, vom Pornostudio bis zur Import-Export-Gesellschaft. Nach einem Diebstahl sah das nicht aus, die Computer standen an ihren Plätzen, ein Safe war nicht zu sehen, und das Geld in einer der offenstehenden Schubladen war, im Gegensatz zu den Akten, nicht einmal berührt worden. Das Geheul der Sirene des Rettungswagens verlor sich in der Ferne. »Hoffentlich kommt sie durch«, dachte Laurenti.
    »Rufen Sie die Spurensicherung«, sagte er schließlich zu seinem Begleiter, der seine Waffe wieder einsteckte. »Die haben hier einiges zu tun.« Mit spitzen Fingern blätterte er in einigen der Dokumente. Transportdeklarationen, Umweltgutachten, chemische Analysen, Ein- und Ausfuhrgenehmigungen. Nichts Besonderes für eine Hafen- und Grenzstadt, die eine Schlüsselrolle für den Osteuropahandel spielte und von der anderen Seite der Grenze als »Tor zum Westen« bezeichnet wurde. Es dauerte nicht lange, bis der amtierende Gerichtsmediziner in Begleitung der Kollegen vom Erkennungsdienst eintraf und Laurenti den Leuten Platz machen mußte.
    »Sorgen Sie dafür, daß die Räume versiegelt werden, und lassen Sie das Haus beobachten«, sagte er zu dem uniformierten Kollegen. »Vielleicht läßt sich eine der Überwachungskameras, die auf die Questura gerichtet sind, so einstellen, daß dieser Hauseingang mit im Bild ist. Wer unten klingelt, muß festgehalten und befragt werden. Ich will sofort über jeden unterrichtet werden, der hier reingeht. Das Resultat der Untersuchung der Fingerabdrücke soll mir umgehend mitgeteilt werden.«
    Hier war etwas Schreckliches passiert. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann sich zum letzenmal ein ganz normaler Mord in der Stadt ereignet hatte, den jeder nachvollziehen konnte, etwa durch eine liebende Gattin, die nach zu langen Ehejahren ihren Mann von der Monotonie erlöste und entsorgte.
    »Um den Inhaber der Räume kümmere ich mich selbst und um die Überwachung der Telefone auch.« Er klopfte dem Beamten, der ihm mit mißmutigem Gesicht zuhörte, auf die Schulter. »Bleiben Sie hier, bis jemand vom Kommissariat kommt.«
    Trotz hektischen Drückens auf den Knopf kam der Aufzug nicht. Er mußte zu Fuß hinunter, der Blutspur entlang, von der er den Blick nicht lösen konnte. Der Polizist am Eingang lehnte gelangweilt an der Wand und kaute intensiv an den Nägeln. Als er Laurenti sah, nahm er lediglich die Finger aus dem Mund und warf einen Blick auf sein Werk, bevor er zum Kommissar aufschaute.
    »Ist vorhin jemand mit dem Aufzug gefahren?« fragte Laurenti.
    Der Beamte nickte.
    »Wer? Haben Sie die Sprache verloren?«
    »Kurz nach Ihnen. Eine Frau. Auffallend attraktiv und sehr gepflegt. Knallrote Lippen wie ein Vampir. Und ein feines Parfum. Sie brachte den Müll weg.«
    »Name, Personalien?«
    Der Mann zuckte gelangweilt mit den Schultern. »Sie ließ sich nicht aufhalten.«
    »Was?« Laurenti starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Was heißt das?«
    »Sie ging einfach an mir vorbei und sagte, sie käme gleich zurück. Der Müllbeutel stank entsetzlich. Ich dachte, sie gehört zur Galerie. So jemand

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