Totentanz
Marietta mußte einen mächtigen Zorn auf die kleine Inspektorin haben. »Los, red schon, anstatt andere Leute mit deinem Müll zu belästigen.«
»Schluß jetzt«, rief Laurenti. »Pina, wer ist das?«
»Sie wohnt im Appartement neben mir. Ich wußte nicht, daß sie Konsulin ist. Ich dachte, solche Leute residieren in repräsentativen Villen und nicht in solch einem Loch wie ich.«
»Und wie gut kennst du sie?« Marietta war nicht mehr zu halten. »Habt ihr eine lesbische Beziehung?«
»Marietta, raus!« Laurenti sprang auf und wies ihr die Tür. »Ihr spinnt wohl beide. Wir haben mit einer äußerst merkwürdigen Geschichte zu tun, und ihr spielt Zickenkrieg.«
»Ich kenne sie nur flüchtig«, rechtfertigte sich Pina ohne Not. Sie war auf sich selbst wütend. Warum hatte sie sich nicht besser über ihre Nachbarin informiert? »Aus dem Hausflur. Zuletzt sah ich sie gestern abend gegen elf. Als ich aus dem Büro kam und sie aus der Oper. Nichts sonst. Ich kenne lediglich ihren Namen und hatte bis jetzt keine Ahnung von ihrem Beruf.«
»Und was haben Sie Marietta angetan?«
Pina schüttelte trotzig den Kopf. »Nichts. Gar nichts.«
Laurenti glaubte ihr kein Wort, doch hatte er nicht die geringste Lust, sich mit diesen Kindereien abzugeben. »Bringen Sie das in Ordnung«, sagte er zu Pina. »Und zwar rasch.«
Die kleine Inspektorin stand auf.
»Wir sind noch nicht fertig«, sagte Laurenti. »Was weiß diese Petra Piskera über Sie?«
»Über mich? Nichts. Ich hatte ihr lediglich gesagt, daß ich im öffentlichen Dienst tätig bin. Und einmal habe ich ihr ein paar Blätter des Comic gezeigt, an dem ich arbeite.«
»Den über die Questura in Triest?«
Die Kleine errötete schon wieder.
»Und was hat sie gesagt?«
»Sie meinte, es ginge zu wie auf dem Balkan.«
Und wieder kam Marietta herein, schloß diesmal aber die Tür mit Gefühl. »Wenn man vom Teufel spricht …«, flüsterte sie. »Die Konsulin ist da und will dich umgehend sprechen. Sie ist ziemlich ungehalten.«
»Das ging aber rasch. Warum wendet sie sich nicht an den Präfekten oder den Questore, wie immer, wenn diese Herrschaften Beistand suchen?« Er wandte sich an Pina. »Halten Sie sich bitte im Hintergrund. Ich möchte nicht, daß Sie der Dame in der Questura begegnen. Nehmen Sie die andere Tür.«
Laurenti setzte sein charmantestes Lächeln auf und verbeugte sich so tief vor der schwarzhaarigen Dame mit den kirschrot geschminkten Lippen und dem auffallend blassen Teint, als hätte er dies vor zweihundert Jahren am Wiener Hof gelernt.
»Frau Konsulin, was kann ich für Sie tun?« fragte er scheinheilig. »Ich bedauere sehr, daß Ihnen dies ausgerechnet in unserer Stadt passiert. Sie müssen einen denkbar schlechten Eindruck von uns haben.«
»So etwas passiert heute überall.« Die Dame war offenbar nicht sehr beeindruckt. »Wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen?«
»Woher wissen Sie, daß ich sie leite?«
»Man hat mich an der Haustür abgefangen und an Sie verwiesen. Sie wissen, daß ich nicht irgendeinem Honorarkonsulat vorstehe. Die Repräsentanz ist exterritoriales Gebiet.«
Laurenti nickte und bot der Dame einen Stuhl an. Dann schloß er das Fenster. Das Gewitter stand direkt über ihnen, grelle Blitze ließen immer wieder das Licht flackern. »Wir tun, was wir können, Frau Konsulin. Immerhin handelt es sich um einen Mordversuch. Spurensicherung und Gerichtsmedizin sind an der Arbeit. Bis die Auswertungen vorliegen, wird es etwas dauern.«
»Mordversuch hin oder her, Commissario. Akten wurden beschlagnahmt. Sie sind Eigentum meines Landes. Ich bestehe darauf, daß sie mir umgehend ausgehändigt werden.«
In der Tat hatte Pina angeordnet, daß mehrere Kisten mit den verstreuten Unterlagen vom Erkennungsdienst abtransportiert wurden, damit sie sie unauffällig begutachten konnte, ohne gleich diplomatische Verwicklungen auszulösen. So ließ sich die Sache zumindest etwas verzögern, bevor die Ministerien eingriffen.
»Wir haben eine schwerverletzte Frau im Treppenhaus gefunden, die sich unmöglich selbst so zugerichtet haben kann. Die Spuren führen alle in Ihr Konsulat, das teilweise so mit Blutspuren überzogen ist, daß die Reinigungsarbeiten Tage dauern werden, Signora. So können Sie die Räume kaum nutzen, egal, welch diplomatische Immunität Sie genießen. Wollen Sie nicht eine Aussage machen, um unsere Arbeit zu erleichtern?«
»Wer ist diese Person?« fragte die Konsulin. Ein Krachen ließ sie zusammenfahren. Es
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