Totentanz
war, als hätte der Blitz in der Questura eingeschlagen. Auch Laurenti warf einen Blick aus dem Fenster. Dicke Regentropfen zeichneten graue Schlieren aufs Glas.
»Bis jetzt kennen wir weder ihre Identität noch den Ursprung ihrer Verletzungen. Sie liegt im Koma im Polyklinikum. Nichts zu machen. Noch liegt uns keine Auswertung der Fingerabdrücke vor.«
»An wen muß ich mich wegen der Akten wenden, wenn Sie nicht der richtige sind?« fragte die Dame barsch. »Das Konsulat kann so nicht arbeiten.« Sie klopfte mit der flachen Hand auf ihren Oberschenkel. Es fehlte eigentlich nur eine Reitpeitsche, dachte Laurenti, und sie wäre die perfekte Domina.
»Mir persönlich sind die Hände gebunden. Darüber entscheiden Staatsanwalt und Untersuchungsrichter. Haben Sie uns denn gar nichts zu sagen? Gestatten Sie mir eine Frage«, er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, »wo waren Sie um vierzehn Uhr?«
»Nicht im Konsulat, sonst hätten Sie mich vermutlich angetroffen, nicht wahr?«
»Und wo waren Sie dann?« Laurenti ließ sich nicht so leicht abfertigen. Er schaute ihr lange in die Augen, doch sie hielt seinem Blick stand.
»Bei einem Geschäftsessen. In Harry’s Grill auf der Piazza Unità. Meine Gäste wohnen im Grandhotel.«
»Wo denn sonst«, sagte Laurenti. »Beste Lage, schöne Zimmer, Wellness und Pool, Topservice. Auch ich bringe meine Gäste dort unter.«
Petra Piskera konnte sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen. Das nahm sie ihm nicht ab. »Wenn Sie mein Alibi brauchen, fragen Sie bitte im Restaurant.«
»Und wie heißen Ihre Gäste?« fragte Laurenti scheinbar naiv.
»Das werde ich Ihnen kaum sagen, Commissario. Staatsangelegenheiten.«
»Wie kann ich Sie erreichen?«
»Es sind zwei Schritte von hier zum Konsulat. Halten Sie mich auf dem laufenden.«
Ihr Lächeln gefiel Laurenti nicht, die ganze Erscheinung war ihm zuwider. Er begleitete die Dame bis zum Aufzug. »Auf gute Nachbarschaft«, sagte er nur, als sich die Tür schloß. Dann eilte er in sein Büro zurück und ließ sich mit dem Staatsanwalt verbinden. Die Sache konnte eine Menge Staub aufwirbeln, und Laurenti verspürte nicht die geringste Lust, ins Sperrfeuer diplomatischer Verstrickungen zu geraten.
*
Es schüttete in Strömen und der Donner grollte ganz in der Nähe, als Damjan und Jožica Babič mit den Plastiksäcken voller Speisereste zu ihrem Auto liefen. Um fünfzehn Uhr waren sie mit der Konsulin im Parkhaus des Einkaufszentrums unten in der Stadt verabredet. Danach würde sich ihr Leben drastisch verändern.
Der direkteste Weg zu dem grünen Škoda führte zwischen den dichtgeparkten Fahrzeugen der Wissenschaftler hindurch. Nur einmal mußte Damjan einen Haken schlagen. Sport Utility Vehicle, SUV, hatte ein cleverer Marketingfachmann aus der Automobilindustrie diese überdimensionierten, wenig geländetauglichen Straßenfahrzeuge getauft, die mittlerweile zu einer rechten Plage geworden waren, für die kein Standardparkplatz ausreichte. Vierrädrige Psychopharmaka zur Aufwertung des Selbstbewußtseins, denen im Alltagsverkehr zu begegnen kein Vergnügen war. Fuhren sie vor einem, versperrten sie die Sicht, fuhren sie hinter oder neben einem her, dann war man in Gefahr. Damjan schimpfte, als er sich daran vorbeidrückte, sein Gesicht spiegelte sich in den dunkelgetönten Scheiben, er hörte nur das Spucken des großvolumigen Motors dieses Ungetüms. Völlig durchnäßt erreichte er endlich den Škoda und fummelte hastig mit dem Schlüssel am Kofferraumschloß, um das Schweinefutter hineinzubugsieren. Damjan putzte die Brille, als er endlich hinter dem Steuer saß und wartete, daß Jožica einstieg.
»Ich hoffe, das Gewitter hat uns nicht die Ernte verhagelt«, sagte Jožica und wischte ihr Gesicht mit seinem Taschentuch trocken.
»Vor einer Stunde schien bei uns drüben noch die Sonne. Der Gipfel des Nanos sah wie künstlich beleuchtet aus, er glänzte golden. Ich glaube, das Gewitter entlädt sich hier und kommt nicht bis zu uns hinauf.« Damjan drehte den Zündschlüssel, schaltete die Scheibenwischer auf die schnellste Stufe und das Licht ein.
Langsam umfuhren sie den großen Bug der Elettra, der die Einfahrt zum Technologiepark markierte, das Wrackteil des Forschungsschiffs von Guglielmo Marconi, der 1901 die drahtlose Telegraphie zwischen Europa und Amerika einführte.
Die Scheibenwischer des Škoda schwappten hektisch, seine Scheiben waren stark beschlagen. Als Damjan auf den Zubringer zur Stadtumgehung
Weitere Kostenlose Bücher