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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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arbeitet nicht im Büro.«
    »Junge, Junge«, stöhnte Laurenti. Entweder war der Mann ein blutiger und schüchterner Anfänger, oder er war in seinen jungen Jahren nur deshalb in den Polizeidienst gegangen, weil er wußte, daß er über eine geregelte Freizeit verfügte, wenn er es nur geschickt genug anstellte. In einigen Jahrzehnten gab es eine gesicherte Beamtenpension, während die restliche Bevölkerung vor dem Erreichen des neunzigsten Lebensjahres wohl kaum mehr mit einer Altersversorgung rechnen konnte. In seiner Gleichgültigkeit erschreckte ihn vermutlich nicht einmal eine heftige Standpauke, ein Eintrag in die Personalakte oder die Androhung erschwerten Schichtdienstes. Dem könnte er sich im Zweifel mit einem ärztlichen Attest entziehen.
    »Und warum funktioniert der Aufzug jetzt nicht?«
    »Ich dachte, es sei besser ihn zu blockieren, bevor ihn jemand benutzt, der sich dünnemachen will.«
    »Und die Kollegen vom Erkennungsdienst mit ihrer Ausrüstung?«
    Der Mann runzelte die Stirn und dachte einen Moment nach. »Ja«, sagte er dann und legte den Hebel der Notbremse wieder um. »Sie haben recht.«
    »Was ist mit dieser Frau? Können Sie sie nicht genauer beschreiben?«
    »Sie hätten sie nur sehen müssen, um zu begreifen, daß sie nichts damit zu tun haben kann. Wer jemand anderen so zurichtet, kann nicht so gepflegt aussehen. Das ist unmöglich.«
    »Ich schicke Ablösung«, sagte Laurenti, faßte sich an den Kopf und ging grußlos hinaus. Der Himmel war inzwischen pechschwarz. Dem grollenden Donner nach zu schließen, näherte sich das Gewitter rasch. Laurenti roch Regenluft, der Maestrale, Wind aus Westen, trieb schwere Wolken vor sich her. »Was ist das nur für ein Sommer«, dachte Laurenti und ging die paar Schritte zur Questura hinüber. »Kein Tag, an dem es nicht regnet, und dann plötzlich mehr Arbeit, als einem recht sein kann.«
    Er warf die Kamera, die er der Verletzten abgenommen hatte, auf den Schreibtisch und blätterte die Post durch. Langsam verschwand der Apparat unter dem anwachsenden Papierstapel.
    *
    Pina Cardareto kam eine Stunde später aus dem Konsulat zurück. »Zerial, der Gerichtsmediziner, steht vor einem Rätsel. Er kann sich die Spuren nicht erklären und sagt, so etwas habe er noch nie gesehen.«
    »Wie weit ist der Erkennungsdienst?« fragte Laurenti. »Fingerabdrücke?«
    »Bis sie durch den Computer gelaufen sind, wird es noch etwas dauern. Ebenso die Analyse der Blutspuren.«
    »Marietta«, rief Laurenti durch die offene Tür, »hast du Nachricht aus dem Krankenhaus?«
    Sie kam herein und würdigte Pina keines Blicks, stellte sich vor sie, als existierte sie nicht. »Die Frau liegt im Polyklinikum von Cattinara. Koma. Schwerste Kopfverletzungen. Niemand weiß, ob sie durchkommt. Die Ärzte haben alle Gewebeproben in die Gerichtsmedizin geschickt. Sie können sich die Ursache der Verwundungen nicht erklären.«
    »Kennen wir ihre Identität?«
    »Sie hatte keine Dokumente bei sich. Auch ihre Fingerabdrücke sind auf dem Weg zum Erkennungsdienst.«
    »Geh doch bitte ein bißchen zur Seite, Marietta.« Laurenti fuchtelte mit der Hand. »Sei nicht so unhöflich gegenüber deiner Kollegin. Wir reden zu dritt. Hast du das Konsulat erreicht?«
    Marietta schüttelte den Kopf. »Bisher hat lediglich der Staatsanwalt angerufen.«
    »Und?«
    »Er war drüben«, ergänzte Pina, »hat sich aber schnell wieder davongemacht.«
    »Darf ich ausreden?« Am Vormittag hatte Laurenti nichts von Mariettas schlechter Laune bemerkt. Wie zur Begleitung grollte der Donner in der Ferne. »Er hat gesagt, daß dieses Konsulat einen exterritorialen Status genieße und wir sehr auf der Hut sein müßten, damit es nicht zu diplomatischen Verwicklungen kommt. Und das mit der Telefonüberwachung kannst du vergessen, es gibt keinen Festnetzanschluß und keine inländische Mobilnummer.«
    »Ich will alle Angaben über die Beschäftigten dort. Von wem wird es geleitet?«
    »Von einer gewissen Petra Piskera«, sagte Marietta.
    »Wie?« Pina war wie vom Schlag getroffen. »Wie heißt die?«
    »Hörst du schlecht?« keifte Marietta.
    »Piskera?« fragte Pina ungläubig. »Wirklich Petra Piskera?«
    »Sind denn selbst deine Ohren zu klein? Auch wenn du noch fünfmal fragst, wird sich daran kaum etwas ändern.«
    Laurenti schritt ein. »Kennen Sie die Dame, Pina?« fragte er scharf.
    Pina nickte. »Wenn es nicht noch jemand anderen mit diesem Namen gibt, schon.«
    »Da sitzt die hier und sagt nichts.«

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