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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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kennengelernt und wußten damit souverän umzugehen.
    Es war die erste großangelegte Aktion in der serbischen Gemeinde, und sie war bis ins Detail geplant. Keinem der Männer, die auf der Piazza isoliert wurden, gelang es, sich aus dem Staub zu machen. Alles verlief, bis auf das bei solchen Kontrollen übliche Gemaule, ruhig. Nur einmal knisterte es, als der Fotograf des Piccolo und ein Kameramann der RAI auf der Suche nach ihren Meisterschüssen wüst beschimpft wurden. Ein kleiner Pulk erzürnter Männer ging sogar auf die beiden los, konnte jedoch schnell aufgelöst werden. Die Beamten kontrollierten die Dokumente, fragten über Funk die Daten ab, die der Kollege in der Zentrale registrierte, und gaben einhundertvierzig Personen ihre Ausweise mit ausdruckslosem Gesicht zurück. Wenige der Männer konnten längerfristig gültige Aufenthaltsgenehmigungen vorlegen, viele hatten lediglich Touristenvisa, die ihre Pässe füllten. Deutsche Stempel, österreichische, slowenische, italienische.
    Nur zehn Zweifelsfälle wurden entdeckt, die Betroffenen einer nach dem anderen in die Questura gebracht und dort weiterbehandelt. Am Ende waren es lediglich fünf Aktendeckel, die vom Staatsanwalt an den Untersuchungsrichter gegeben wurden, der im Schnellverfahren die sofortige Abschiebung anordnete. Doch zum erstenmal verfügten die Behörden nun über eine Dokumentation der inoffiziellen serbischen Gemeinde: Alle kontrollierten Namen waren erfaßt. Eine Datei, die sich ausbauen ließ.
    Laurenti hatte sich im Hintergrund gehalten, die Zeitung durchgeblättert und das Geschehen eher gelangweilt verfolgt. Die Schlagzeile auf der Titelseite des Piccolo war dem schrecklichen Unfall auf der Bundesstraße in der Nähe des Wissenschaftsparks gewidmet, und im Innenteil dominierten Fotografien des zerstörten Škoda eine ganze Seite. Ein demoliertes Auto, das mit geöffneter Heckklappe bedrohlich über einem Abgrund hing, Rettungskräfte, die sich wie Bergsteiger von der Straße herab abseilten, schließlich die Bergung mit einem riesigen Kranwagen. Wenn endlich der Autobahntunnel fertiggestellt sei, dann wäre auch diese unfallträchtige Trasse entschärft, lautete der Schlußsatz. Dem Artikel war sonst nur zu entnehmen, daß die Unfallursache unbekannt war und man Zeugen suchte, die über den Hergang berichten konnten. Und er nannte die Identität der beiden Fahrzeuginsassen: ein Ehepaar von der slowenischen Seite des Karsts, das seit vielen Jahren im »AREA SciencePark« bei Padriciano angestellt war und über einen tadellosen Leumund verfügte. Der Fahrer war tot, seine Frau schwerverletzt nach Cattinara eingeliefert worden. Ihr Leben hing an einem seidenen Faden, und noch konnten die Ärzte nicht sagen, ob sie durchkam. Laurenti überflog die Zeitung nur, er wollte den Überblick über den Platz nicht verlieren. Doch die beiden Gorillas mit dem frischen Atem ließen sich nicht blicken. Entweder war es Zufall, oder sie verfügten über gute Kontakte zur Questura und waren gewarnt worden. Und auch der Geldeintreiber, der gestern hier abkassiert hatte, tauchte nicht auf.
    »Wir müssen uns etwas einfallen lassen«, dachte Laurenti auf der Rückfahrt ins Polizeipräsidium. Die Piazza Garibaldi mit Überwachungskameras vollzuhängen hätte lediglich zur Folge, daß sich die Szene verlagern würde. Manche Geschäfte würden einfach nicht mehr auf offener Straße ausgehandelt. Sie mußten anders vorgehen. Schutzgeldeintreiber durfte es in Triest nicht geben. Bisher war die Stadt davon verschont geblieben, und dieses Privileg sollte auch nicht von ein paar Schlauköpfen der serbischen Gemeinde zerstört werden. Wenn die Ränder ausfransen, dann ist auch bald das Zentrum betroffen.
    *
    Die schöne Konsulin hatte, als Laurenti ihre Geschäftsräume betrat, einen Schrubber in der Hand. Doch auch bei dieser niedrigen Tätigkeit sah sie gut aus, und auch ihr Befehlston hatte sich nicht verflüchtigt.
    »Unmöglich, in dieser Stadt am Spätnachmittag jemanden aufzutreiben, auf den man sich verlassen kann. Stehen Sie nicht so herum«, sagte sie zu Laurenti. »Sie dürfen mir gerne helfen.«
    »Und nachher beschweren Sie sich, daß ich nicht gründlich genug aufgewischt habe.« Er schüttelte den Kopf und betrachtete die Blutspritzer an der Wand. »Wollen Sie etwa auch die Wände selbst streichen?« Er zog ein Stück Papier und einen Stift aus der Jackentasche und schrieb einen Namen mit Telefonnummer darauf. »Dies ist ein alter Bekannter. Ein

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