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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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unverschämte Zwergpolizistin auf mich hetzt.«
    Laurenti hatte genug. Er wollte sich von dem ungehobelten Kerl nicht in aller Öffentlichkeit beschimpfen lassen. Also zog er Galvano und den Hund ohne ein weiteres Wort ins Freie. Sie gingen in die Bar gegenüber, wo Galvano atemlos zwei Whisky bestellte, Laurenti auf einen Barhocker schob und ihm mit ausgestrecktem Finger auf die Brust pochte.
    »Hör mir genau zu. Ich habe dir etwas zu sagen. Heute früh habe ich gegen meinen entschiedenen Willen die Kleine dabei beobachtet, wie sie aus dem Haus kam und den Müll in die Tonne warf. Und weißt du, was ich gesehen habe?«
    Laurenti staunte. Was ging nur im Kopf dieses Zynikers vor? Zuerst machte er ihm eine Szene und dann dies. »Was?« fragte er.
    »Nichts«, sagte Galvano.
    »Was nichts?«
    »Gar nichts.« Der Alte leerte sein Glas in einem Zug, kaum daß der Barkeeper es vor ihm auf den Tresen gestellt hatte. Mit dem Handrücken wischte er sich den Mund. »Noch einen«, befahl er. »Gar nichts habe ich gesehen. Sie hat die Mülltüte in die Tonne geworfen und basta.«
    »Wie lange hast du gewartet?«
    Galvano machte eine Handbewegung, die besagte, er solle schweigen und zuhören, anstatt dämliche Fragen zu stellen.
    »Diese kalabrische Miniaturausgabe einer Ordnungshüterin lügt. Nicht einer war hinter ihr her, niemand hat sie beobachtet, niemand gegrüßt, niemand angelächelt, und niemand außer mir hat ihren Müll wieder aus der Tonne gezogen. Es gibt diesen Fetischisten nicht. Verstanden?«
    »Du hast den Müll herausgefischt?« fragte Laurenti.
    »Ich kann dir ganz genau aufzählen, was sie weggeworfen hat.« Galvano faltete einen kleinen Zettel auf. »Viel war’s nicht. Hier: Zwei Joghurt-Becher, einer leer, Erdbeergeschmack, der andere mit Kiwi, angeblich cholesterolsenkend, Haltbarkeitsdatum überschritten. Zwei Bierflaschen, Billigmarke. Eine leere Toastbrotverpackung, zwei Tampons, schwanger ist deine Mitarbeiterin auf jeden Fall nicht. Eine Bananenschale, eine faulige Tomate. Papierschnipsel. Ich habe mir aber nicht die Mühe gemacht, sie zusammenzusetzen. Dann Salatblätter, eine leere Plastikflasche: Mineralwasser ohne Kohlensäure. Warum trinkt sie kein Leitungswasser? Eine Zahnpastatube. Das war’s. Damit krieg ich sie.«
    »Ich verstehe dich nicht.«
    »Warten wir einmal das nächste anonyme Schreiben ab. Wenn einer dieser Gegenstände drauf ist, dann weißt du es.«
    »Blödsinn«, sagte Laurenti. »Es wäre vernünftiger, wenn du sie weiter beobachten würdest. Wenn heute niemand da war, dann vielleicht morgen. Oder übermorgen. Bleib dran.«
    Galvano schien sich zu beruhigen. Er streichelte den Kopf des schwarzen Hundes, der zu ihm aufblickte und sich für die Freundlichkeit mit einem Handlecken bedankte.
    »Du verstehst noch immer nicht, Laurenti. Sie erfindet die Sache, um sich wichtig zu machen. Kein Mensch ist scharf auf ihren Kaffeesatz oder ihre Tampons. Kein Mensch interessiert sich für sie. Sie hat keine Freunde und lebt völlig zurückgezogen. Sie leidet unter ihrer Einsamkeit und versucht sich wichtig zu machen. Die langweilt sich nur in Triest und verarscht uns.«
    »Quatsch. Die ist viel zu ernst.« Laurenti konnte sich ein Grinsen über diese Vorstellung nicht verkneifen. Eine so karrierebesessene junge Frau würde sich niemals solche Scherze erlauben.
    »Oder ihr beide verarscht mich«, sagte Galvano plötzlich, als er sah, daß Laurenti sich amüsierte. »Habt ihr das zusammen ausgeheckt, um mir einen Streich zu spielen? Ich warne dich, Laurenti, damit bist du an der falschen Adresse.«
    Galvano stürzte auch das zweite Glas hinunter und stand auf. »Du bezahlst«, sagte er und ging hinaus. Er hätte es nicht anzumerken brauchen, seit Jahrzehnten überließ er die Rechnung stets den anderen.
    *
    Laurenti gähnte, als er sein Büro betrat, und der Rücken schmerzte von der langen Rumsteherei auf der Piazza Garibaldi, doch Marietta hielt ihn auf, bevor er seinen Schreibtisch erreichte.
    »Setz dich gar nicht erst hin. Der Staatsanwalt will dich sprechen. Er erwartet dich in seinem Büro«, sagte sie zur Begrüßung. »Er sagte, es sei dringend.«
    »Wahrscheinlich hat die Konsulin Druck gemacht. Gibt’s was Neues über die Verletzte?« fragte er.
    »Die Gerichtsmedizin steht vor einem Rätsel. Die Rothaarige liegt noch immer im Koma und wird kaum selbst erklären können, mit welchem Gegenstand sie so zugerichtet wurde. Sie untersuchen die Hautpartikel und Wundreste, doch kann

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