Totentanz
netter Mann, der früher öfter mit uns zu tun hatte. Seit ein paar Jahren ist er sauber. Ein Maler. Arbeitet alleine und ohne Quittung. Rufen Sie ihn an, und berufen Sie sich auf mich. Der schuftet auch die Nacht durch, und morgen sind Ihre Räume wieder in Schuß. Sie müssen nicht einmal auf ihn aufpassen.«
Die Konsulin würdigte den Zettel keines Blicks. »Und weshalb sind Sie hier? Wann geben Sie uns die Akten zurück?«
»Der Erkennungsdienst arbeitet schnell. Ich hoffe, schon morgen.«
»Mein Land hat bereits eine Protestnote an Ihren Außenminister gesandt. Sie gehen zu weit.«
»Bei solch blutigen Attacken kann man nicht weit genug gehen. Immerhin stehen Sie unter unserem besonderen Schutz, gnädige Frau.« Laurenti machte eine lange, bedeutungsschwere Pause und fragte dann unvermittelt: »Kennen Sie Tatjana Drakič?«
»Wer soll das sein?« fragte sie und wrang den Lappen aus. Laurenti war nicht entgangen, wie die Dame für den Bruchteil einer Sekunde in ihrer Arbeit stockte, bevor sie den Kopf schüttelte.
»Eine Person, die überall in diesen Räumen ihre Fingerabdrücke hinterlassen hat. Sie kennen Sie wirklich nicht?«
Jetzt schaute die Konsulin ihm tatsächlich in die Augen. »Nein. Keine meiner Mitarbeiterinnen heißt so.«
»Vielleicht hat sie mit einer der beiden Firmen zu tun? CreaSell und CreaBuy. Was machen die eigentlich?«
»Internationale Handelsbetriebe. Mein Land ist zu arm und kann sich dieses Konsulat nur leisten, wenn es sich in Teilen selbst finanziert. Nicht alle schwimmen im Reichtum.«
»Import-Export also? Und womit handeln Sie?« fragte Laurenti. »Mit Kartoffeln?« Erst gestern hatten die Nachrichten gemeldet, daß ein neuer Sektor im Hafen an Bedeutung gewonnen habe. »Triest – Kartoffelhafen Deutschlands« hatte die Schlagzeile gelautet.
»Sie haben es beinah erraten.« Petra Piskera setzte ungerührt ihre Reinigungsarbeiten fort. »Erde. Kompost aus biologischen Betrieben, Dünger, Blumenerde.«
Laurenti runzelte die Stirn. Nahm sie ihn auf den Arm? »Blumenerde?«
»Sie haben richtig gehört. Die Nachfrage nach biologischen Erzeugnissen steigt auch in Osteuropa, aber es fehlen die Erzeuger. Eine Marktlücke. So unwahrscheinlich das klingt.«
»Ich werde es nicht verraten«, sagte Laurenti. »Und Tatjana Drakič kennen Sie wirklich nicht? Nie gesehen, obgleich sie in diesen Räumen war?«
»Ich habe bereits darauf geantwortet.« Sie lehnte den Schrubber gegen die Wand und wischte sich mit dem Unterarm die Stirn. »Aber Sie scheinen die Dame ja bestens zu kennen. Ist das die Frau von gestern? Haben Sie endlich ihre Identität ermittelt?«
»Sie ist es nicht. Was hat Tatjana Drakič hier gemacht?«
»Vielleicht jemand, der die Dienste des Konsulats in Anspruch nahm. Was weiß ich, hier gehen viele Leute ein und aus.«
»Würden Sie mir bitte die Personalliste zeigen?«
»Personalliste? Ich bitte Sie, lassen Sie mich jetzt in Ruhe. Ich habe zu tun. Sie befinden sich in einer offiziellen Landesvertretung. Auf exterritorialem Gebiet. Sie wissen selbst, was das bedeutet.«
Laurenti hob die Augenbrauen und kratzte sich hinterm Ohr. »Na gut, dann werde ich die Kollegen von der Guardia di Finanza schicken, die sich die Bücher der beiden Handelsfirmen vornehmen werden. Deren Räume genießen wohl kaum Sonderstatus. Sie sind ja sicher noch eine Weile hier.«
Die Dame streifte ihre Gummihandschuhe ab und ging mit hartem Schritt in ihr Büro. Laurenti rechnete damit, daß sie sich bei oberster Stelle über ihn beschweren würde, doch sie kam umgehend mit einem Blatt zurück, auf dem die Namen standen samt Adresse, Geburtsdatum und Gehalt.
»Nehmen Sie und verschwinden Sie.« So langsam wurde die Konsulin ungemütlich. »Ich habe zu tun.«
Laurenti wollte ihr die Hand reichen, doch sie streifte sich bereits wieder die gelben Gummihandschuhe über.
»Rufen Sie den Maler an«, sagte Laurenti, »anstatt alles alleine zu machen.«
*
Das Vernissagenpublikum stand bis auf die Straße hinaus und behinderte den Verkehr auf der Via Diaz. Es war ein besonderes Ereignis, wenn Serse Roma bei LipanjePuntin ausstellte. Serse war kein persischer König, sondern der berühmteste Maler der Stadt, dessen Werke weltweit gezeigt wurden, und er war ein alter Freund der Laurentis, auch wenn er, wie er stets betonte, ein durchaus gespaltenes Verhältnis zur Polizei hatte. In dieser Ausstellung präsentierte er ein neues und überraschendes Thema in seiner meisterhaften Technik: Den
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