Totentanz
Finanzpolizei auf den Hals zu hetzen, damit sie sich die beiden Firmen genauer ansähen, wenn sie nicht endlich etwas redseliger würde. Es war Zeit zu handeln.
Ihr Bruder antwortete erst nach langem Klingeln. Sie schilderte ihm die Zusammenhänge knapp. Viktor schwieg so lange, bis sie fragte, ob er noch in der Leitung war.
»Ich wünschte, du würdest das Land sofort verlassen«, sagte er schließlich.
»Aber es liegt nichts gegen mich vor. Und er hat mich nicht erkannt. Meine Papiere sind in Ordnung, ich bin die offizielle Vertreterin eines souveränen Landes. Er kann nichts machen. Wenn ich jetzt verschwinde, war die ganze Mühe umsonst.«
»Sei auf der Hut, Tatjana. Du kennst ihn gut genug. Der läßt nicht so schnell locker.«
»Wie einen tollwütigen Pitbull sollte man ihn abknallen.«
»Du mußt dir etwas einfallen lassen. Erpreß ihn! Bedroh ihn! Spiel die Furie. Er soll des Falles enthoben werden. Beschuldige ihn. Oder du kidnappst seine Frau.«
»Er wird diesen Fall nicht überleben, Viktor. Das schwöre ich dir.«
»Zvonko und Milan stehen zu deiner Verfügung. Gib acht, daß du deinen Status nicht gefährdest. Du bist die Chefin.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, machte die Konsulin sich trotz der Scherereien und ihres Mißbehagens auf den Weg zur Vernissage. Zum zweitenmal an einem Tag kam sie am Grandhotel Duchi d’Aosta vorbei und sah gleich darauf die Menschenmenge vor den Räumen der Galerie in der Via Diaz. Sie freute sich, endlich unter Leute zu kommen, die nichts von ihr wußten. Wie lange schon hatte sie nur mit Geschäftspartnern zu tun und kein privates Wort mehr gewechselt? Sie hatte es sich leichter vorgestellt. Die Operationen, die Zeit der Heilung, der Wechsel der Identität, die Rückkehr nach Triest und der Beginn neuer Geschäfte hatten sich hingezogen. Ihre Kontakte waren oberflächlich geblieben. Ihr Bruder hatte es leichter. Er saß auf seiner Insel, wechselte die blonden Schönheiten nach Bedarf, diskutierte nicht lange, sondern löste seine Probleme stets entschieden und, wenn es sein mußte, mit Gewalt. Und sie holte für ihn die Kastanien aus dem Feuer, wenn er, wie so oft, verhindert war. Sie mußte eine Lösung finden, um ihre Situation zu verbessern, nachdem die Geschäfte abgeschlossen waren. Viktor mußte jemanden finden, der sie in ein paar Wochen ersetzen könnte. Sobald Zeit blieb, würde sie es ihm klarmachen. Heute abend wenigstens wollte sie sich vergnügen, Vernissagen boten stets ausreichend Raum für Small talk und Ablenkung.
Als sie die Galerie erreichte, fuhr ihr ein gewaltiger Schreck in die Glieder. Soeben trat Laurenti auf die Straße, von einem hageren alten Mann mit einem schwarzen Hund begleitet. Sie verschwanden in der Bar gegenüber. Was zum Teufel hatte ein Polizist mit Kultur am Hut? Petra Piskera entschied, in den nächsten Tagen wiederzukommen, die Bilder würden schon nicht alle am Eröffnungsabend verkauft werden.
Immer die Falschen
Es war nicht direkt ein Schlag ins Wasser. Sie hatten einhundertfünfzig Personen durchsucht, ihre Papiere kontrolliert und zehn festgenommen, die keine gültigen Aufenthaltsgenehmigungen vorweisen konnten. Kurz nach sieben waren die Piazza Garibaldi sowie die zu ihr führenden Straßen durch vierzehn Einsatzwagen und fünfzig Polizisten abgeriegelt worden. Der Leiter des mobilen Einsatzkommandos hatte die Beamten zuvor auf Deeskalation eingeschworen, sie sollten sich bestimmt und trotzdem höflich verhalten und auf keine Provokation reagieren, sie sollten klare Anweisungen in einfacher Sprache erteilen, sich selbst aber in ausreichender Entfernung zu den Männern halten, solange in der anschließenden, mehrstündigen Prozedur einer nach dem anderen überprüft wurde. Auf keinen Fall durfte es zu Auseinandersetzungen kommen. Neben den Serben befanden sich auch Kosovaren, Bosnier und Rumänen unter den Eingekesselten, allerdings keine einzige Frau. Die Inhaber der Läden um die Piazza standen neugierig vor den heruntergelassenen Rolläden ihrer Geschäfte und beobachteten die Szene. Heute würde man später öffnen. Hier kam sowieso kein Kunde durch, und bis sich nicht alles beruhigt hatte, war mit Umsatz nicht zu rechnen. Nur die immer geschäftigen Chinesen, die den Palazzo vor der Bushaltestelle eingenommen hatten, in dessen Erdgeschoß sich auch die erste chinesische Pizzeria der Stadt befand, gingen unbeeindruckt ihren Tätigkeiten nach. Sie hatten dieses Durchgreifen der Polizei schon vor Jahren
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