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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zugeben will. Doch der Lohn wird in bar ausgezahlt, und was das Essen
angeht, können wir mehr kaufen, als wir brauchen. Die Ladenbesitzer sind so dankbar für zahlende Kunden – im Gegensatz zu den mittellosen Waisen, die versuchen, das Lebensnotwendige zu stehlen –, dass sie uns besondere Angebote machen für Extras wie Isolierband und Aspirin.
    Wir lagen also da und schliefen beide. Ich wachte mit einer Klinge an der Kehle auf und sah in die Augen eines Mannes, den ich nicht kannte. Ich habe nur ein leises Geräusch von mir gegeben, es war nicht einmal ein Wimmern, aber es reichte für meinen Bruder, um sofort bei Bewusstsein zu sein … mit dem Gewehr im Anschlag.
    Ich war hilflos, wie gelähmt. Mit kleinen Dieben kam ich zurecht, und die meisten Diebe wollten uns nicht töten, wenn es auch anders ging. Sie stießen nur armselige Drohungen aus, in der Hoffnung, etwas zu essen zu bekommen oder ein Schmuckstück. Waren sie kleiner als man selbst, rannten sie einfach weg, wenn sie erwischt wurden. Sie versuchten nur zu überleben, so gut es eben ging.
    »Schieß und ich steche zu«, sagte der Mann.
    Es krachte laut, so wie damals, als eins unserer Rohre geplatzt ist, dann sah ich ein rotes Rinnsal über die Stirn des Mannes laufen. Ich brauchte eine Sekunde, bis mir klar war, dass er ein blutiges Einschussloch in der Stirn hatte, dann spürte ich, dass das Messer nur noch schlaff an meinem Hals lag. Ich packte es und stieß den Mann mit dem Fuß von mir. Aber er war bereits tot. Keuchend richtete ich mich auf, die Augen traten mir fast aus den Höhlen. Rowan war bereits auf den Füßen und sah nach, ob der Mann auch wirklich tot war. Wenn es nicht unbedingt
nötig war, wollte er keine weitere Kugel verschwenden.
    »Verdammt«, sagte er und gab dem Mann einen Fußtritt, »ich bin eingeschlafen. Verdammt noch mal.«
    »Du warst müde«, beruhigte ich ihn. »Ist schon in Ordnung. Er wäre weggegangen, wenn wir ihm etwas zu essen gegeben hätten.«
    »Sei doch nicht so naiv«, sagte Rowan und hob demonstrativ den Arm des Toten an. Da erst bemerkte ich den grauen Mantel des Mannes. Das eindeutige Erkennungszeichen eines Sammlers bei der Arbeit. »Er wollte …«, fing Rowan an, aber er konnte es nicht laut aussprechen. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich ihn zittern.
    Bis zu dieser Nacht hatte ich gedacht, dass Sammler junge Mädchen von der Straße wegholten. Das stimmt zwar, aber es ist nicht immer der Fall. Sie können sich auch ein Mädchen aussuchen, folgen ihr nach Hause und warten auf eine günstige Gelegenheit. Das heißt, wenn sie glauben, dass sich die Mühe lohnt, und wenn sie glauben, einen guten Preis für sie zu bekommen. Genau das war passiert. Deshalb war der Mann in unser Haus eingebrochen. Und jetzt lässt mein Bruder nicht mehr zu, dass ich irgendwohin gehe, wenn er nicht dabei ist. Er sieht sich besorgt um, späht in die Gassen, an denen wir vorbeigehen. Wir haben noch mehr Riegel an der Tür angebracht. Auf dem Küchenboden haben wir ein Labyrinth aus Drachenschnüren mit leeren Blechdosen gespannt, damit wir gewarnt werden – laut gewarnt –, bevor irgendwelche Eindringlinge sich Hoffnung machen können, in unseren Keller einzudringen.

    Jetzt höre ich etwas anderes, etwas, was ich zuerst für eine weitere Ratte halte, die oben herumhuscht. Nur so ein Wesen wäre klein genug, einen Weg um unsere Falle herum zu finden. Doch dann rüttelt jemand an der Kellertür. Die Riegel springen auf, einer nach dem anderen.
    Hinter mir hat Rowan aufgehört zu schnarchen. Ich wispere seinen Namen. Sage, dass ich glaube, jemand ist eingebrochen. Er antwortet nicht. Ich drehe mich um und sein Feldbett ist leer.
    Oben an der Treppe fliegt die Kellertür auf. Doch statt der Dunkelheit unseres Hauses ist da Sonnenlicht und der atemberaubendste Garten, den ich je gesehen habe. Mir bleibt kaum Zeit, das alles in mich aufzunehmen, bevor sich die Türen vor mir schließen – die Türen eines grauen Lasters, eines Lasters voll verängstigter Mädchen.
    »Rowan«, keuche ich und schrecke hoch.
    Wach. Ich bin jetzt wach und versuche, mich zu trösten. Aber die Realität bietet mir keine Sicherheit. Ich bin immer noch in diesem herrschaftlichen Haus in Florida, immer noch zur Braut des Hauswalters bestimmt, und weiter den Flur hinunter keucht Rose um ihr Leben, während Stimmen sie zu beruhigen versuchen.
    Meine Beine und die Hüften fühlen sich wund an, wenn ich mich auf dem Satinlaken strecke. Ich schlage

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