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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gehofft habe, versteht er das als Aufforderung, sich neben mich zu setzen.
    »Das Haus ist so etwa tausend Jahre alt«, sagt er und schraubt die Thermosflasche auf. Der Deckel wird zum Becher und er gießt mir heißen Kakao ein. Ich setze mich auf, nehme den Kakao und inhaliere eine Weile die zuckrige Wärme. Er trinkt direkt aus der Flasche, und ich beobachte, wie sich sein Adamsapfel unter der Haut bewegt. »Das weht nirgendwohin.«

    Ich schaue auf die gemauerte Villa in der Ferne und weiß, dass er die Wahrheit sagt.
    »Und, hast du deine Wette gewonnen?«, frage ich und trinke meinen Kakao. Er verbrennt mir die Zunge und an einer Stelle wird sie wie Sandpapier. »War es einer der Kategorie zwei?«
    »Drei«, sagt er. Seine Lippen sind spröde wie meine, kein Vergleich mit Lindens, und ich denke, wir sind zwei ungewollte Gefangene hier draußen in diesem kargen Garten. Diesem Garten, der sich in den Winterschlaf begeben hat.
    »Ich liebe ihn nicht«, sage ich.
    »Was?«
    »Linden, ich liebe ihn nicht. Ich bin nicht mal gern im selben Zimmer wie er. Ich wollte nur, dass du das weißt.«
    Auf einmal sieht er mich nicht mehr an. Er nimmt noch einen Schluck, und dieses Mal legt er den Kopf nach hinten, damit er auch den letzten Rest Kakao austrinken kann. Über seiner Lippe bleibt ein kleiner Bogen aus Schokolade zurück.
    »Ich wollte nur, dass du das weißt«, wiederhole ich.
    »Das ist gut zu wissen«, sagt er und nickt.
    Als unsere Blicke sich treffen, grinsen wir beide – und dann lachen wir, zunächst verhalten, als würden wir erst mal die Nase rausstrecken, ob es auch sicher ist, und dann mit mehr Vertrauen. Ich pruste und halte mir den Mund zu, bin zu hysterisch, um verlegen zu sein. Ich weiß nicht, was so komisch ist oder ob es überhaupt etwas Komisches gibt. Ich weiß nur, dass es sich richtig gut anfühlt.
    Ich wünschte, wir könnten mehr Zeit auf diese Weise
verbringen, auch wenn wir nichts machen, als spazieren zu gehen und dabei tote Blätter vor uns her zu kicken. Aber als wir aufstehen und ganz automatisch zum Haus zurückgehen, fällt mir wieder ein, dass wir beide Gefangene sind. Er kann nur mit mir reden, wenn er mir etwas bringt, dann schnell zurück in die Küche, schnell wieder das Holz polieren, die unzähligen Teppiche saugen. Ich nehme an, deshalb hat er den heißen Kakao gebracht.
    Je mehr wir uns dem Haus nähern, desto schwächer wird der süße Geschmack. Die Sandpapierstelle auf meiner Zunge wird größer. Der Himmel mit seinen weichen Wolken bekommt etwas Unheilverkündendes. Die toten Blätter fliegen raschelnd davon, als hätten sie Angst.
    Gerade als Gabriel nach dem Türknauf fasst, geht die Tür auf. Hausprinzipal Vaughn begrüßt uns mit einem Lächeln. In der Küche hinter ihm ist es still, abgesehen von den unvermeidlichen Geräuschen beim Zubereiten von Speisen und beim Saubermachen. Kein Geplapper, wie sonst üblich.
    »Ich habe ihn gebeten, mir heißen Kakao zu bringen«, sage ich.
    »Natürlich, meine Liebe. Das sehe ich«, sagt Hausprinzipal Vaughn. Er sieht aus wie ein liebenswerter Alter, wenn er uns anlächelt. Ich spüre, wie Gabriel sich neben mir verkrampft, und ich unterdrücke das seltsame Verlangen, seine Hand zu halten, ihn wissen zu lassen, dass ich ebensolche Angst habe wie er, auch wenn ich es nicht zeige.
    »Dann geh doch wieder an deine Arbeit«, sagt Hausprinzipal Vaughn zu Gabriel.

    Der lässt sich das nicht zweimal sagen, er taucht ab in die Küche und verschmilzt mit den Arbeitsgeräuschen.
    Ich stehe diesem Mann also allein gegenüber.
    »Es ist so ein schöner, kühler Tag. Die Luft ist so erfrischend in diesen alten Lungen«, sagt er und klopft sich auf die Brust. »Magst du vielleicht einen Spaziergang mit deinem Schwiegervater machen?« Das ist nicht wirklich eine Frage. Wir wandern vom Haus weg, gehen zwischen den Teichen hindurch zum Rosengarten. Jennas Trampolin ist von toten und sterbenden Blättern bedeckt.
    Ich tue mein Bestes, diesen Mann zu ignorieren, der seinen Arm durch meinen gefädelt hat, der nach Tweedstoff und Rasierwasser riecht und nach dem Keller, den ich so fürchte. Für eine Weile verlasse ich Florida. Ich denke an die Blätter in Manhattan im Herbst. Es gibt dort nicht besonders viele Bäume – die Chemiefabriken haben ihren Tribut gefordert. Aber an einem windigen Tag tun sich die spärlichen Blätter zu Gruppen zusammen, die alle auf einmal fallen, womit sie die Illusion erwecken, weitaus zahlreicher zu sein. Die

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