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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Bibliothek genommen hat, der immer noch auf meiner Kommode liegt. Und ich weiß, dass alles meine Schuld ist. Ich habe ihm das angetan. Bevor ich hierherkam, war er ein glücklicher, nicht über den Tellerrand schauender Diener, der die Welt vergessen hatte. So zu leben, ist schrecklich, aber immer noch besser als gar kein Leben. Und es ist besser als Vaughns fensterloser Schreckenskeller.
    Ich denke an das Buch, das Linden mir vorgelesen hat, während ich mich erholt habe. Frankenstein . Es handelte von einem Verrückten, der aus Leichenteilen einen Menschen gemacht hat. Ich denke an Roses kalte Hand mit dem pinkfarbenen Nagellack und Gabriels blaue Augen und das steinchengroße Herz eines toten Kindes. Und ehe es mir bewusst wird, bin ich schon in Bewegung, ich übergebe mich und Jenna hält mir das Haar zurück und die Welt gerät außer Kontrolle. Doch nicht die echte Welt, sondern Vaughns Welt.
    Cecily erscheint in der Tür, blass und mit verschwimmendem Blick. »Was ist denn los?«, fragt sie. »Bist du krank?«
    »Das wird schon wieder«, sagt Jenna. Sie streicht mir das Haar zurück. »Sie hat zu viel getrunken.«
    Das ist es nicht, ganz und gar nicht, aber ich sage nichts. Ich drücke die Toilettenspülung und Cecily füllt
einen Zahnputzbecher mit Wasser und reicht ihn mir. Ich nehme ihn. Sie setzt sich auf den Rand der Badewanne, stöhnt, als sie die Knie beugt. »Scheint eine lustige Party gewesen zu sein«, sagt sie.
    »Eigentlich war es keine Party«, sage ich, spüle meinen Mund mit Wasser und spucke es aus. »Nur ein Haufen Architekten, die ihre Entwürfe ausgestellt haben.«
    »Erzähl mir alles«, sagt Cecily. Aufregung funkelt in ihren Augen.
    »Da gibt es eigentlich nichts zu erzählen«, sage ich. Ich will ihr nicht von den beeindruckenden Hologrammen erzählen oder der üppigen Dessertauswahl oder der Stadt voller Leute, in der ich erwogen habe, wegzulaufen. Es ist besser, wenn sie nicht weiß, was ihr entgeht.
    »Ihr beide redet gar nicht mehr mit mir«, sagt sie. Es sieht ganz so aus, als wolle sie wieder hysterisch werden. Mit jedem Trimenon wird sie emotionaler. »Das ist ungerecht. Ich muss den ganzen Tag im Bett bleiben.«
    »Es war wirklich langweilig«, behaupte ich. »Da waren jede Menge Erstgenerationer, die mir ihre Zeichnungen gezeigt haben, und ich musste interessiert tun. Und dann bin ich an einen Architekten geraten, der mir einen langen Vortrag über die Wichtigkeit von Einkaufszentren gehalten hat, und wir mussten über eine Stunde auf so unbequemen Klappstühlen sitzen. Ich habe mich betrunken, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte.«
    Einen Moment lang guckt Cecily zweifelnd, doch dann kommt sie offenbar zu dem Schluss, dass ich die Wahrheit sage, denn ihr Unmut verblasst und sie sagt: »Na dann. Aber kannst du mir nicht eine Geschichte erzählen? Von diesen Zwillingen, die du gekannt hast.«

    Jenna hebt eine Augenbraue. Ich habe ihr nie von meinem Zwillingsbruder erzählt, doch sie hat einen besseren Instinkt als Cecily und wird es nun wahrscheinlich herausfinden.
    Ich erzähle die Geschichte von dem Tag, an dem die Zwillinge auf dem Heimweg von der Schule eine Explosion hörten, die so laut war, dass der Boden unter ihren Füßen bebte. Ein Genlabor war von Erstgenerationern in die Luft gesprengt worden, aus Protest gegen die Experimente, die dort zur Verlängerung der Lebenserwartung neuer Kinder durchgeführt wurden. Rufe wie: »Genug!«, und: »Die Menschheit kann nicht gerettet werden!«, hallten durch die Straßen. Dutzende Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker wurden getötet.
    Das war der Tag, an dem die Zwillinge Waisen wurden.
     
    Ich wache auf, als das Tablett mit dem Abendessen auf meinen Nachttisch gestellt wird. Cecily liegt zusammengerollt neben mir und schnarcht durch die Nase, was sie sich in ihrem dritten Trimenon angewöhnt hat. Hoffnungsvoll schießt mein Blick zum Träger des Tabletts, aber es ist nur der nervöse neue Diener von heute Morgen. Die Enttäuschung muss mir deutlich ins Gesicht geschrieben stehen, denn er versucht es mit einem Lächeln, als er sich zum Gehen wendet.
    »Danke«, sage ich, doch sogar das hört sich tieftraurig an.
    »Schau in die Serviette«, sagt er und dann ist er weg.
    Langsam, damit ich Cecily nicht störe, setze ich mich auf. Sie murmelt etwas in den kleinen Spuckesee auf dem Kissen und seufzt.

    Ich entrolle die Stoffserviette, die um das Silberbesteck gewickelt ist, und eine blaue Junibeere fällt mir

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