Totentöchter - Die dritte Generation
eifersüchtig zu sein. Eigentlich tut sie mir doch einen Gefallen, indem sie Lindens Zuneigungsbekundungen von mir abhält.
Sie sagt: »Riechen diese Dinger nicht schrecklich? Wie
das Innere einer Ledertasche. Linden findet, sie sorgen für die richtige Stimmung.«
»Wie lange war er hier?«, frage ich ruhig.
»Ach, die ganze Nacht«, sagt sie und lässt sich wieder aufs Bett fallen. »Ich dachte schon, er geht überhaupt nicht mehr. Er meint, ich werde schwanger, wenn wir es auf tausend verschiedene Arten machen.«
Ich bemühe mich, nicht rot zu werden. Das Kamasutra-Buch, eins von Cecilys Lieblingsbüchern, liegt mit den Seiten nach unten aufgeschlagen auf dem Fußboden.
»Willst du das denn?«, frage ich.
Sie schnaubt. »Damit ich mich aufblähe wie ein Kugelfisch, so wie Cecily? Wohl kaum. Aber was soll ich machen? Egal, ich hab keine Ahnung, warum er mich nicht schwängern kann. Ich hab vermutlich einfach Glück.« Sie klopft einladend auf die Matratze. »So, was ist los?«
Ohne Kerzenlicht ist der Raum viel dunkler. Ich kann ihre Züge kaum erkennen. Hatte ich, als ich vor ein paar Augenblicken hierhergekommen bin, wirklich erwartet, ich könnte schlafen? Jetzt erscheint mir das unmöglich.
»Ich mache mir Sorgen um Gabriel.« Ich setze mich auf die Bettkante, wo Linden sich eben noch die Hose zugebunden hat, und irgendwie kann ich mich nicht dazu überwinden, unter die Decke zu schlüpfen.
Jenna setzt sich auf und legt ihren Arm um mich. »Es wird ihm schon gut gehen«, versichert sie.
Deprimiert starre ich auf meinen Schoß.
»Okay, das reicht, steh auf!«, sagt sie, schubst mich auf die Füße und steht mit auf. »Ich weiß, was du brauchst.«
Ein paar Minuten später hocken wir unter einer Wolldecke
auf einem Sofa im Wohnzimmer und teilen uns eine große Packung Vanilleeis, die sie in der Küche bestellt hat. Dabei gucken wir uns die Wiederholung der Seifenoper vom Vortag an. Außer den Liebesromanen ist das ein weiteres Laster von ihr. Die Schauspieler sind Teenager, die so geschminkt sind, dass sie viel älter wirken. Jenna hat mir erzählt, dass die Schauspieler ständig ausgewechselt werden. Ganz klar, denn die Serie läuft bereits seit über einem Jahrzehnt und die ursprünglichen Schauspieler sind inzwischen längst gestorben. Die einzigen kontinuierlich Mitwirkenden sind Erstgenerationer. Und während Jenna mir erklärt, wer gerade im Koma liegt und wer unwissentlich den bösen Zwilling geheiratet hat, beginne ich im Schein des Fernsehens, mich ein wenig zu entspannen.
»Ihr beide seid so laut.« Cecily steht in der Tür und reibt sich die Augen.
Ihr Bauch sieht aus wie ein bis zum Bersten aufgeblasener Ballon. Sie hat sich gar nicht erst die Mühe gemacht, die untersten Knöpfe ihres Nachthemds zu schließen, und die Haut um ihren Bauchnabel herum ist so gespannt, dass sie schmerzhaft glänzt.
»Was macht ihr hier um diese Zeit?«
»Die Serie heißt Diese verrückt gewordene Welt «, sagt Jenna. Sie macht ihr auf dem Sofa Platz. Cecily zwängt sich zwischen uns und zieht den Löffel heraus, den ich in den Berg Eiscreme gesteckt habe. »Sieh mal, dieser Typ da, Matt, der ist verliebt in die Krankenschwester. Deshalb hat er sich absichtlich den Arm gebrochen. Aber sie wird ihm gleich sagen, dass auf seiner Röntgenaufnahme ein Tumor zu sehen ist.«
»Was ist ein Tumor?« Cecily leckt den Löffel ab und taucht ihn erneut in den Becher.
»Davon hat man früher Krebs gekriegt«, sagt Jenna. »Das soll das zwanzigste Jahrhundert sein.«
»Und die haben gleich Sex auf dem Operationstisch?«, fragt Cecily ungläubig.
»Krass«, sage ich.
»Ich finde es süß«, meint Jenna.
»Das ist gefährlich.« Cecily fuchtelt wild mit dem Löffel herum. »Da steht doch ein Tablett mit lauter Nadeln rum.«
»Er hat gerade eben sein Todesurteil erhalten. Einen besseren Zeitpunkt, der Liebe seines Lebens näherzukommen, gibt es doch wohl nicht«, sagt Jenna.
Das Paar auf dem Bildschirm fängt tatsächlich an, auf dem Operationstisch Sex zu haben. Die Szene ist durch strategisch geschickt positionierte Requisiten und Nahaufnahmen von den Gesichtern der Schauspieler zensiert, trotzdem schaue ich weg. Ich stoße einen Löffel in den Eisbecher und warte darauf, dass die romantische Musik aufhört.
Cecily erwischt mich. »Du bist so prüde«, sagt sie.
»Bin ich nicht«, sage ich.
»Du hast ja noch nicht mal mit Linden die Ehe vollzogen«, sagt sie. »Worauf wartest du, auf unsere goldene
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