Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
als sie weitere Seifen zugibt und
mehr heißes Wasser in die Wanne laufen lässt. »Dein Vater war Maler, hast du gesagt. Was hat er gemalt?«
    Sie hält mit ihrer Hand auf dem Wasserhahn inne und lächelt auf eine wehmütige Weise.
    »Porträts hauptsächlich«, sagt sie.
    »Vermisst du ihn?«, frage ich.
    Ich weiß, dass es ein sehr kummervolles Thema für sie ist, aber sie strahlt eine Stärke und Ruhe aus, die mich an Rose erinnert, und ich weiß, dass sie nicht weinend zusammenbrechen wird.
    »Jeden Tag«, sagt sie. Dann presst sie die Hände zusammen in einer Geste, die anmutet wie eine Mischung aus Händeklatschen und Beten. »Aber jetzt bin ich hier, und ich kann tun, was ich von Herzen gern mache. Ich habe wirklich Glück gehabt.«
    »Wenn du weglaufen könntest, wohin würdest du gehen?«
    »Weglaufen?«, fragt sie. Sie steht jetzt am Badezimmerschrank und sucht zwischen den Flaschen mit den Duftölen herum. »Warum sollte ich das tun?«
    »Ist nur eine Frage. Wenn du dir im ganzen Land einen Ort aussuchen könntest, wohin würdest du gehen?«
    Sie lacht ein bisschen und träufelt etwas Vanilleöl ins Wasser. Die Schaumblasen glitzern und platzen. »Aber ich bin glücklich hier«, sagt sie. »Nun ja, mein Vater hat mal ein Bild gemalt, von einem Strand. Da lagen Seesterne im Sand. Ich habe nie einen echten Seestern in der Hand gehabt. An diesen Strand wäre ich gern gegangen oder an einen, der genauso ist.« Sie scheint in der Erinnerung versunken, ihr Blick geht durch die Fliesen im Bad. Dann kommt sie wieder zu sich. »Wie ist das Wasser?
«, fragt sie. »Bist du bereit, gleich herauszukommen?«
    »Ja, sicher«, sage ich.
    Ich ziehe ein Nachthemd an und Deidre reibt mir Füße und Waden mit einer Lotion ein, die mich tatsächlich ein wenig entspannt. Sie zündet ein paar Kerzen an und sagt mir, der Duft werde mir helfen, einzuschlafen. Angeblich riechen sie nach Lavendel und etwas, was Sandelholz genannt wird. Doch als ich in den Schlaf hinübergleite, bringen sie mich zu einem warmen, sonnigen Strand und einer frisch bemalten Leinwand.
    Am nächsten Morgen bin ich vor Tagesanbruch wach. Ich hatte einen Traum, dass Gabriel mit einem Atlas und einem Frühstückstablett in mein Zimmer gekommen ist. Das ist keiner von den schlimmen Albträumen, aber die Einsamkeit, die ich beim Erwachen verspüre, ist erdrückend.
    Ich wage mich auf den Flur hinaus, der schwach beleuchtet ist. Die Räucherstäbchen haben aufgehört zu brennen und ein Geruch wie nach verbranntem Parfum liegt in der Luft. Ich weiß, dass Jenna und Cecily um diese Zeit noch schlafen. Cecily ganz bestimmt, sie hat sich in ihrem dritten Trimenon angewöhnt, meist bis mittags zu schlafen, aber sicherlich wird mich eine der beiden zu sich ins Bett lassen. Vielleicht klappt das besser, als allein zu schlafen.
    Als ich an Jennas Tür klopfe, höre ich ihr leises Kichern irgendwo im Zimmer. Es raschelt, dann sagt sie: »Wer ist da?«
    »Ich bin’s«, sage ich.
    Wieder Kichern. »Komm rein«, sagt sie.

    Ich öffne die Tür zu einem Schlafzimmer, das vom Kerzenschein erwärmt ist. Jenna setzt sich im Bett auf, fährt sich mit den Fingern durch das zerzauste Haar und Linden bindet sich seine Pyjamahose. Seine nackte Brust ist blass, die Wangen gerötet. Hastig zieht er sich seine Jacke über, die noch nicht zugeknöpft ist, als er auf die Tür zugeht. »Guten Morgen, mein Herz«, sagt er zu mir, dabei sieht er mir nicht wirklich in die Augen.
    Es ist nichts Schlimmes dabei. Es ist absolut normal. Jenna ist seine Ehefrau, er ist unser Ehemann, an diese Vorstellung sollte ich mich gewöhnt haben. Es war unvermeidlich, dass ich früher oder später mitbekomme, was hinter diesen Türen vorgeht. Doch ich kann nichts gegen die peinliche Röte tun, die mein Gesicht überzieht, und wie ich sehe, ist auch Linden verlegen.
    »Morgen«, sage ich. Erstaunlicherweise stottere ich nicht dabei.
    »Es ist noch früh. Du solltest versuchen, noch etwas zu schlafen«, sagt er, drückt mir schnell einen Kuss auf die Lippen und verschwindet den Flur hinunter.
    Als ich mich wieder Jenna zuwende, geht sie gerade durchs Zimmer und löscht die Kerzen. Ihr Körper glänzt vor Schweiß, das Haar um ihr Gesicht ist feucht, ihr Nachthemd schief geknöpft. So habe ich sie noch nie gesehen, so wild und schön. Wahrscheinlich ist Linden der Einzige, der sie so zu sehen kriegt. Ich dränge eine Welle der Eifersucht zurück, die natürlich absurd ist. Ich habe keinen Grund,

Weitere Kostenlose Bücher