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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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in die Hand.
     
    Ich sehe Gabriel weder am nächsten Tag noch am übernächsten.
    Draußen bleibt der Schnee liegen. Ich leiste Cecily Gesellschaft, während sie schmollt, weil sie nicht rausgehen und Schneemänner bauen darf. Das Waisenhaus hat ihr auch nie erlaubt, im Schnee zu spielen. Allzu leicht hätten die Kinder in der Kälte krank werden können und die Mitarbeiter waren nicht darauf vorbereitet, mit Epidemien fertig zu werden.
    Sie schmollt allerdings nur kurz, dann gleitet sie in eins von den für sie typisch gewordenen Nickerchen hinüber. Ich kann das Ende dieser Schwangerschaft gar nicht erwarten. Meine Angst davor, was geschehen wird, wenn das Baby geboren ist, wird nämlich nur noch übertroffen von der Angst davor, was momentan mit ihr passiert. Sie ist immer außer Atem oder sie weint und ihr Finger um den Ehering herum ist geschwollen.
    Während sie schläft, sitze ich auf ihrem Fensterbrett und blättere den Atlas durch, den Gabriel mir gebracht hat. Während mein Name der eines europäischen Flusses ist, ist Rowan eine kleine rote Beerenart, die im Himalaja und Asien wuchs, finde ich heraus. Ich bin nicht sicher, was das zu bedeuten hat oder ob es überhaupt etwas bedeutet. Das Letzte, was ich brauchen kann, ist aber noch ein Rätsel – und nach einer Weile beobachte ich einfach nur, wie der Schnee draußen fällt. Von Cecilys Fenster hat man eine schöne Aussicht. Vor allem auf Bäume, und
ich denke, es könnte ein ganz normaler Wald in der wirklichen Welt sein. Es könnte überall sein.
    Aber natürlich sehe ich dann die schwarze Limousine, die sich draußen einen Weg durch den Schnee bahnt, und das erinnert mich daran, wo ich bin. Ich beobachte, wie sie um ein Gebüsch herumfährt und dann geradewegs in die Bäume.
    Geradewegs in die Bäume! Es gibt keinen Zusammenstoß, der Wagen fährt einfach durch sie hindurch, als wären sie gar nicht da.
    Und da geht mir ein Licht auf. Diese Bäume sind nicht wirklich da. Deshalb konnte ich von den Gärten oder vom Orangenhain keinen Weg zum Tor finden. Der echte Weg wird von irgendeiner Illusion verborgen. Von einem Hologramm, wie die Häuser auf der Messe. Natürlich. Es ist so einfach. Warum bin ich nicht längst darauf gekommen? Typisch, dass ich es erst jetzt begreife, wo Vaughn es mir fast unmöglich gemacht hat, unbegleitet nach draußen zu gehen.
    Den Rest des Tages versuche ich zu planen, wie ich hinauskommen und mir das Baumhologramm genauer ansehen kann, doch alle Wege in meinem Kopf führen zurück zu Gabriel. Wenn ich einen Weg hinaus finden würde, könnte ich nicht ohne ihn weggehen. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht ohne ihn gehen würde, aber er war ursprünglich dagegen. Wenn er meinetwegen in Schwierigkeiten ist, wird er jetzt den Fluchtgedanken ganz aufgeben?
    Ich muss einfach wissen, dass es ihm gut geht. Bis ich das nicht weiß, kann ich nicht mal übers Weglaufen nachdenken.

    Das Abendessen kommt, doch ich esse nichts. Mit der Hand in der Tasche sitze ich an einem Tisch in der Bibliothek und drehe meine Junibeere zwischen den Fingern. Jenna versucht mich mit interessanten Fakten abzulenken, die sie in den Bibliotheksbüchern gelesen hat, und ich weiß genau, sie macht das nur für mich, denn sie liest normalerweise nichts anderes als Liebesromane. Aber ich schaffe es nicht, ihr zuzuhören. Sie drängt mich, etwas von dem hausgemachten Schokoladenpudding zu probieren, doch der ist wie Kleister in meinem Mund.
    An diesem Abend fällt es mir schwer, einzuschlafen. Deidre lässt ein Bad mit Kamillenseifenkugeln für mich ein, die das Wasser mit einer grünen Schaumschicht überziehen. Das Seifenwasser ist wohltuend wie eine Massage und duftet himmlisch, aber ich kann mich nicht entspannen. Sie flicht mir Zöpfe, während ich im Wasser liege, erzählt mir von den neuen Stoffen, die sie in Los Angeles bestellt hat, und wie wunderbar die sich als Sommerröcke mit Volants machen werden. Und ich fühle mich noch schlechter, wenn ich nur daran denke, dass ich nächsten Sommer noch hier sein könnte, um sie zu tragen. Je einsilbiger ich antworte, desto verzweifelter erscheint mir ihr Ton. Sie kann den Grund für mein Elend nicht verstehen. Mich. Die verwöhnte Braut eines sanften Hauswalters, der ihr die Welt zu Füßen legt. Sie ist meine ewige kleine Optimistin, die immer fragt, wie es mir geht oder ob ich etwas brauche, die meinen Tag besser zu machen versucht. Aber mir geht auf, dass sie nie von sich redet.
    »Deidre?«, sage ich,

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