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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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sich in dem mit Büchern, astronomischen Gerätschaften und Sternenkarten überladenen Arbeitszimmer des Magisters. Tolfnir hatte die Fensterläden geschlossen, damit sein Zauber besser zur Geltung kam.
    Eine kleine, nicht sonderlich beeindruckende Leuchtkugel schwebte über der Handfläche des Meisters.
    »Das ist alles?«, fragte Selphyne enttäuscht. »Schon wieder ein Lichtzauber?«
    Allmählich wurde ihr Lehrmeister wohl doch alt, dachte sie. In letzter Zeit interessierte er sich nur noch für seine Geranien und für Lichtzauber. Er hatte eine ganze Reihe davon entwickelt, und Selphynes Meinung nach wurden sie zunehmend unspektakulär, um nicht zu sagen, immer kindischer: Magister Tolfnirs Praktisches Leselicht, Magister Tolfnirs Natürliches Morgenlicht, Magister Tolfnirs Fast Originalgetreuer Mondschein, Magister Tolfnirs Angenehme Beleuchtung Für Wenn Man Nachts Aufwacht Und Nochmal Raus Muss …
    Tolfnir lachte.
    »Wenn es nicht blitzt, kracht und donnert, ist deine Begeisterung wohl schwer zu wecken«, sagte er. »Aber es gibt nichts Faszinierenderes als das Licht. Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht … «
    »…  den alten Rang, den Raum ihr streitig macht  …«, fiel Selphyne ein, die das Zitat oft genug von ihrem Meister gehört hatte, um es auswendig zu wissen. »Das stimmt schon, aber … letztlich ist es doch nur Licht .«
    Der Meister ließ die leuchtende Kugel verlöschen und öffnete die Fensterläden, so dass das Licht des hellen Sommertags hereinflutete.
    » Nur Licht! «, wiederholte er. »Da sprichst du ein großes Wort gelassen aus. Aber eines Tages wirst du es verstehen. Hast du übrigens heute Nachmittag schon etwas vor? Sonst könntest du mir dabei helfen, diesem bescheidenen Lichtzauber ein wenig mehr Wumms zu verleihen, wie du es ausdrücken würdest. Ich hätte da ein paar interessante Experimente im Kopf.«
    »Eigentlich war ich mit Glornion verabredet, aber ich helfe lieber Euch«, sagte Selphyne.
    »Glornion?«, fragte der Meister und zwinkerte ihr zu. »Ist das dieser junge Mann, der neulich hier war? Der mit der schwarzen Schminke und den tiefen, ausdrucksvollen Seufzern?«
    »Ja …«, meinte Selphyne gequält. »Er hat ein paar … emotionale Probleme.«
    »Du musst es selbst wissen«, lächelte der Magister. »Vielleicht möchtest du deine Zeit doch lieber mit einem jungen Mann in deinem Alter verbringen, als mit so einem verwirrten alten lichtbesessenen Zausel wie mir.«
    »Ach was.« Selphyne winkte ab. »Ich sag ihm schnell über die Kristallkugel ab. Ich sag einfach, ich hätte ganz vergessen, dass meine Oma Geburtstag hat und ich deswegen nicht kommen kann.«
    »Wenn ich richtig mitgezählt hab, hatte deine Oma allein im letzten Monat mindestens fünf Mal Geburtstag«, antwortete der Magister verschmitzt. »Weißt du, die meisten Leute haben nur zwei Großmütter, und die feiern normalerweise jeweils einmal im Jahr Geburtstag.«
    »Naja, ich glaub das wird sowieso nichts mit uns beiden«, meinte Selphyne. »Dafür sind wir viel zu verschieden. Ich sag ihm schnell ab.«
    »Wie du meinst. Vielleicht gelingt es mir ja doch noch, deine Begeisterung für Lichtmagie zu wecken.«
    Magister Tolfnir verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah aus dem Fenster.
    Selphyne war gerade auf der untersten Treppenstufe angekommen, als sie seine Stimme hörte.
    »Warte«, rief er ihr nach.
    Sie drehte sich um und kehrte nach oben zurück.
    »Ja?«, fragte sie, noch in der Tür stehend.
    »Ich hab es mir gerade anders überlegt«, erklärte der Magister, der einige Manuskripte auf seinem überfrachteten Schreibtisch ordnete. »Eigentlich solltest du dich lieber mit deinem Freund treffen. Man ist schließlich nur einmal jung.«
    »Aber …«, begann Selphyne.
    »Außerdem würdest du dich doch nur langweilen. Und die Experimente kann ich auch allein durchführen.«
    »Wie Ihr meint«, sagte Selphyne. »Aber …«
    »Wo wolltet ihr euch treffen?«, erkundigte er sich.
    »Bei der Liebeseiche«, antwortete Selphyne.
    »Ah, ja, die Liebeseiche!«, sagte er. »Sehr gut. Die Liebeseiche ist sehr gut. Nun, dann wünsche ich euch beiden viel Spaß.«
    »Danke, Meister«, begann Selphyne, zögerte jedoch schon wieder, »aber …«
    »Viel Spaß«, lächelte der Magister und vertiefte sich in eines seiner Manuskripte.
    Erstaunt blieb Selphyne noch eine Zeitlang in der Tür stehen, bis deutlich wurde, dass der Meister nicht die Absicht hegte, ihr weitere Beachtung zu

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