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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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zusammen, als ginge es um sein eigenes Bein und schlug zu.
    Am schlimmsten war, dass Uldi nicht einmal schrie.
    Qualvolle Stunden vergingen.
    »Brom«, kam Uldis Stimme fast unhörbar leise aus der Dunkelheit.
    Brom neigte sich zu seinem Freund hinüber.
    »Wenn du sie siehst, sag Mirna, dass ich sie liebe und immer lieben werde«, wisperte Uldi.
    Brom antwortete nicht.
    Tränen rannen seine Wangen und seinen Bart hinab, stumm nahm er die schlaff gewordene Hand seines besten Freundes und drückte sie schwach.
    Die Minuten, in denen er dem langsam immer schwächer werdenden Atem seines Kameraden lauschte, waren die schrecklichsten, die er jemals erleben sollte.
    Schließlich wurde es ganz still, und Broms leises Schluchzen war das einzige Geräusch in der vollständigen Dunkelheit.
    »Nenia!«, rief Selphyne, während sie die Straßen von Verderbnis durchquerte und dabei den Avancen angeheiterter Maskenträger auswich. In ihrem rast- und ruhelosen Abenteurerleben hatte die Gnomenmagierin schon manches Mal mit Wehmut an ihre ehemaligen Schulkameradinnen gedacht, von denen die meisten inzwischen vermutlich ein ganz normales sesshaftes Bürgerleben führten, mit Häuschen im Grünen, treusorgendem Gemahl und reizenden (statistisch gesprochen) anderthalb Kinderchen. Angesichts ihrer jüngsten Erfahrungen schätzte sie sich nun doch glücklich, dass es bei ihr, besonders was die reizenden Kinderchen anging, nie wirklich ernst geworden war – den Stress war es eindeutig nicht wert.
    Da rang sie doch lieber mit grausigen Horrormutantenwervampiren oder den fragwürdigen Hygienevorstellungen eines gewissen Zwergenkriegers (zwei letztlich gar nicht so fernab voneinander liegende Phänomene).
    »Nenia!«
    Aber es war nicht nur die Suche nach der kleinen Nachtelfe, die sie beschäftigte.
    Da war noch etwas, eine unterschwellig bedrohliche Atmosphäre, eine gewisse Schwingung der Luft, die ihren siebten magischen Sinn in Alarmbereitschaft setzte.
    Erst ein einziges Mal in ihrem Leben hatte sie dergleichen gespürt, an einem verhängnisvollen Tag, der nun schon viele Jahre zurücklag …
    Guten Abend, Selphyne, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Ich hoffe es geht dir gut?
    Selphyne blieb stehen.
    Gib dir keine Mühe, sagte sie.
    Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst …, flüsterte die Stimme verunsichert.
    Tatsächlich? Dann helf ich dir mal auf die Sprünge: Du bist die Stimme meiner Erinnerung und willst mir mitteilen, dass ich vor meiner Vergangenheit nicht davonlaufen kann. Das war es doch, oder?
    Ähm …, erwiderte die Stimme. Ja … irgendwie schon. Aber woher weißt du …
    Sagen wir einfach, ich bin nicht unbedingt schwer von Begriff. Also, war nett, mal wieder von dir zu hören, aber ich habe jetzt wirklich keine Zeit für Plaudereien.
    Selphyne beschleunigte ihre Schritte.
    Plötzlich, für einen kurzen Augenblick, war ein unmaskiertes Gesicht in dem Meer der Masken aufgetaucht, bevor es darin wieder untertauchte.
    Aber …, begann die Stimme enttäuscht.
    Keine Zeit, wiederholte Selphyne und nahm die Verfolgung der Gestalt in der Menge auf.
    So gelangte sie bald vor den Großen Musentempel, die größte Kunsthalle von Verderbnis, und sah die Gestalt darin verschwinden.
    Als Selphyne den Musentempel betrat, empfing sie dort eine geradezu vollkommene Stille. Während des Fests der Masken bestand nachvollziehbarerweise nur geringes Interesse an den Kunstschätzen vergangener Epochen.
    Vor Jahren war von der Provinz Kaldurien aus eine Welle der neu erwachten Kunstbegeisterung über die Fernen Länder geschwappt.
    Anders als in Irgendwind, wo Kunst eher als Zurschaustellung persönlicher Schrullen und Seelenknackser begriffen wurde, fühlten sich die Maler, Bildhauer und Komponisten Kalduriens den hohen Idealen der Schönheit, des Guten und Vollkommenen verpflichtet.
    Das bedeutete für sie allerdings auch, dass sie bisweilen ganz schön zu kämpfen hatten, um diese Ideale in den Gesichtern ihrer reichen Auftraggeber wiederzufinden, deren Porträtierung ihre größte – oft einzige – Einnahmequelle darstellte.
    Denn schließlich müssen auch Schöngeister von irgendetwas leben (jedenfalls so lange sie leben, für die spätere Unsterblichkeit mögen andere Gesetze gelten).
    Im Großen Musentempel waren die berühmtesten Werke jener Zeit ausgestellt, von Gionaldis Statue der Göttin der Schönheit und Vollkommenheit, Thena, [ Die Göttin war so erzürnt über die ihrer Ansicht nach empörend unvollkommene

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