Totentrickser: Roman (German Edition)
Kneifkrieg. »Eralkes, sei so gut und geh vor.«
Auf der Veranda der Sanatoriumsvilla erwartete sie ein uralt aussehender Nachtelf, der den Eindruck machte, sich jederzeit in eine Staubwolke auflösen zu können.
Er trug einen weißen Arztkittel und rieb sich manisch die Hände.
»Vielen Dank, Eralkes«, sagte er, »du kannst dich nunmehr wieder anderen Aventüren widmen.«
Der behelmte Troll murmelte etwas Unverständliches und schlurfte ins Haus.
»Arsenio Trockenborn«, stellte sich der Nachtelf den Helden vor. »Sie erwähnten eine familiäre Angelegenheit – nichts Unangenehmes, hoffe ich?«
»Es geht um Ihren Großneffen Thanatos Totenhand«, sagte Selphyne.
»Also doch etwas Unangenehmes.« Arsenios Gesichtszüge verhärteten sich. »Von diesem Leichenschuster ist noch nie was Gutes gekommen.«
»Nun, er ist … wie soll ich sagen …«, begann Selphyne.
»Ihr Großneffe ist verstorben«, sagte Falfnin.
»Ha, na das ist doch mal eine frohe …«
Der Nachtelf unterbrach sich.
»Kommen Sie wegen der Erbschaft?«, fragte er lauernd. »Hat er mir was hinterlassen?«
»In gewisser Weise schon … Das ist seine Tochter Nenia. Wir suchen ein Zuhause für sie.«
»Das ist ja reizend! Und wenn ich Sie richtig verstehe, glauben Sie jetzt, ich würde mir so ein Gör auf den Hals …«
Zum zweiten Mal biss er sich auf die Lippen, als wäre ihm plötzlich etwas eingefallen.
Ein verkrampftes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
»Aber ich mach ja nur Spaß!«, rief er bemüht fröhlich. »Das ist eben der schrullige Humor meiner Familie, der auf Außenstehende manchmal so befremdlich wirkt! Der gute Thanatos ist also tot, Friede seiner Leiche! Und du bist seine Tochter!«
Er ging in die Hocke – deutlich war das Knirschen seiner Knie zu vernehmen – und legte Nenia seine Arme auf die Schultern.
»Lass dich mal ansehen, du armes Ding, was für ein schwerer Schlag das für dich gewesen sein muss!«
»Lass mich in Ruhe!«, zischte Nenia und machte sich von ihm los. »Papa hat immer gesagt, du bist hundert Mal bekloppter als deine Bekloppten!«
»Sie steht noch unter Schock …«, sagte Selphyne.
»Gewiss, die arme Kleine! Aber wollen Sie nicht hereinkommen? Ich werde gleich ein Abendessen für Sie bereiten lassen, bei Tisch können wir dann alles Nähere besprechen.«
»Danke«, entgegnete Selphyne, »aber wir wollen Ihre Gastfreundschaft nicht strapazieren. Wir wissen ja nun, dass Sie beruflich viel zu beansprucht sind, um sich nebenher noch um ein Kind kümmern zu können.«
»Aber nein!«, rief der Nachtelf. »Das war doch nur ein Scherz, wie gesagt! Natürlich ist Onkel Arsenio jederzeit für seine kleine Nichte Nenia da!«
Er tätschelte Nenia mit seiner skelettartigen Hand die Haare und erhielt dafür einen wuchtigen Tritt gegen das Schienbein.
»So ein lebhafter, liebenswert schelmischer Wildfang!«, ächzte Onkel Arsenio mit schmerzverzerrtem Gesicht und rieb sich das Bein. »Aber kommen Sie, nur herein in die gute Stube! Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause!«
»Und Sie behandeln in ihrem Sanatorium also Patienten, bei denen, nun ja … gewissermaßen …«, begann Selphyne.
»… ein paar Stützbalken eingekracht sind«, ergänzte Brom. »Was denn?«, rechtfertigte er sich, als ihn Selphynes vorwurfsvoller Blick traf. »Das ist ein ganz gebräuchlicher Ausdruck aus dem zwergischen Bergbau.«
Sie saßen im Salon am Tisch und warteten darauf, dass das Essen serviert wurde.
»Die Leiden unserer Patienten sind mehr seelischer als körperlicher Art, ja«, entgegnete Arsenio. »Wir helfen ihnen, so gut wir können. Leider herrscht in der Welt noch große Unwissenheit, was das Gebiet der Seele angeht, dabei gibt es dort so vieles zu entdecken! Mich zum Beispiel hat schon immer fasziniert, wie nahe doch Genie und Wahnsinn oft beieinander liegen!«
»Wir hatten auch so ein Genie in der Familie«, berichtete Brom. »Er hat immer davon erzählt, wie er eines Tages die Ballonfahrt revolutionieren wird, und dann ist er auf Tante Brunhildas hunderachtundsiebzigstem Geburtstag nackt in die Torte gesprungen. Ein anderes Mal …«
»Haben Sie auch gefährliche Patienten hier?«, unterbrach Selphyne, bevor Broms Anekdotensammlung ausufern konnte.
»Kommt ganz darauf an, was Sie mit gefährlich meinen«, antwortete Arsenio.
»Naja, wahnsinnige Killer, Serienmörder, so was«, sagte Selphyne.
»O ja«, nickte der Sanatoriumsleiter. »Botho hier zum Beispiel«, er zeigte auf einen nicht
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