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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
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ausgelöscht, und in den Tavernen lungerten nur noch die hoffnungslosesten Opfer der Alkoholindustrie herum und schlürften mit verdrießlichen Mienen das bittere Gift des Vergessens in sich hinein.
    Noch hatte das Fest der Masken nicht begonnen, das die Nacht zum Tag und den Tag zur Nacht verkehren würde.
    Auch in der Purpurschnecke war Ruhe eingekehrt. Die Geräusche der Lust, die Seufzer gespielter und aufrichtiger Ekstase, das Quietschen strapazierter Bettfedern, die atemlos gemurmelten Anzüglichkeiten, all dies war nach und nach verstummt.
    Wer zu dieser Zeit das Zimmer von Brom und Bolgur betreten hätte, hätte die beiden erprobten Kampfgefährten in einer sehr anrührenden Stellung vorgefunden: Der Barbarenoger hatte seinen muskulösen Arm im Schlaf um den Zwergenkrieger geschlungen, der sich seinerseits mit einem traumseligen Lächeln an die Schulter seines Kumpans schmiegte, und so schlummerten sie einträchtig nebeneinander in dem großen herzförmigen purpurnen Plüschbett.
    Ihr beiderseitiges Schnarchen war eine zweistimmige Ode auf die Freundschaft.
    Nebenan träumte Nenia die Albträume anderer Leute und kuschelte sich dabei an ihre Drullpuppe Gorgontua.
    Auch Selphyne schien endlich ein wenig Schlaf gefunden zu haben.
    Schien, wie sich in wenigen Augenblicken zeigen wird.
    Doch beobachten wir zunächst aufmerksam das Fenster, das nun langsam, sehr, sehr langsam, so dass kaum ein Geräusch dabei entsteht, aufgeschoben wird.
    Lautlos schiebt sich eine dunkle Gestalt durch die Öffnung, ganz in Schwarz gekleidet und kaum von der umgebenden Dunkelheit zu unterscheiden.
    Auf Zehenspitzen schleicht der nächtliche Eindringling durch das Zimmer auf das Bett zu, aus dem die leisen, gleichmäßigen Atemzüge der Gnomenmagierin zu hören sind.
    Eine Dolchklinge glänzt matt in dem schwachen Licht, ein präziser Stoß in den entblößten Hals der schlummernden Zauberin, dort, wo sich unter der weißen Haut die Schlagader abzeichnet, und alles ist vorbei, ein Leben in Sekundenschnelle beendet, nüchtern und sachlich, wie man die Flamme einer Kerze auslöscht.
    Sollte man zumindest meinen.
    Denn anstatt sich an die Regeln zu halten und erschrocken, mit einem letzten Röcheln, die Augen aufzureißen, aus denen bereits der Tod blickt, benimmt sich dieses Opfer überaus merkwürdig.
    Es explodiert in einem gleißenden Lichtblitz, der den verwirrten Meuchelmörder geblendet und vollkommen orientierungslos zurücklässt.
    Im nächsten Moment spürt er die Spitze eines Dolches – seines eigenen Dolches, wenn er sich nicht täuscht – an seiner Kehle und eine Stimme flüstert ganz nahe an seinem Ohr:
    »Überraschung!«
    »Na los, mach schon, scheid ihm die Nase ab!«
    Nenia stand in ihrem Nachthemd da und ballte erwartungsvoll die Fäuste.
    »Nenia«, entgegnete Selphyne, »ich hab es dir doch schon erklärt. Wir sind Helden. Wir schneiden nicht einfach anderen Leuten die Nasen ab. Jedenfalls nicht ohne guten Grund.«
    Die Gnomenmagierin griff nach der schwarzen Kapuze des Meuchelmörders. Wie ihr jetzt auffiel, war er ungewöhnlich kleingewachsen und erreichte nicht einmal die durchschnittliche Wichtelgröße.
    »Zunächst wüsste ich gern, mit wem wir es überhaupt zu tun haben.«
    Selphyne zog dem Mörder die Kapuze vom Kopf.
    Erschrocken trat sie einen Schritt zurück.
    Blonde Locken quollen unter dem schwarzen Stoff hervor, eisblaue Augen blickten sie an.
    Der Meuchelmörder war ein kleines Mädchen, nicht viel älter als Nenia.
    »Töte mich, wenn du willst«, sagte das Mädchen. »Aus mir bekommst du nichts raus.«
    Im Nebenzimmer polterte es laut. Selphyne hörte Bolgurs Barbarenbrüllen und eine Tirade saftiger zwergischer Flüche, dann wurde es plötzlich still, bis Brom gleichermaßen erstaunt wie verärgert ausrief:
    »Ich glaub ja wohl, es hackt!«
    Kurz darauf erschienen er und Bolgur in Selphynes und Nenias Zimmer.
    Brom schleifte einen jungen Gnomenknaben hinter sich her, den er an einem Ohr gepackt hatte. Unter Bolgurs muskulösen Armen klemmte je ein Orkjunge.
    »Also, da fehlen einem doch die Worte!«, rief Brom. »Stell dir vor: Dieser kleine Rotzlöffel hier wollte mir ein für alle Mal die Luft abdrehen! Wollte mir ein ganz besonderes Halsband anlegen!«
    Er hielt einen feinen Draht hoch, der mit zwei Holzstücken verbunden war: eine Garotte, Werkzeug der Wahl für den lautlosen Meuchelmord zwischendurch.
    »Wenn ich nicht einen so leichten Schlaf hätte, würde ich jetzt an dem Großen

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