Totenwache - Thriller
Weibchen, doch keins davon ist für ihn bestimmt. Aber dann erblickt er plötzlich die eine . Ist doch nicht möglich!,
denkt er. Doch, das ist sie! Genau das richtige Signal! Er ist schon eine halbe Ewigkeit durch die Gegend geflogen und hat Abertausende von Blinksignalen abgesetzt, und nun hat er sie endlich gefunden: die große Liebe . Also stürzt er sich in ihre weit geöffneten Arme«, sagte er und breitete selbst die Arme aus, »und sie beißt ihm den Kopf ab.«
»Und warum sind die Männchen dann so unbeirrt auf der Suche?«
»Weil ihr Hirn so klein ist wie der Kopf einer Stecknadel«, sagte Nick. »Aber warum sind wir Menschen nur so blöde?«
Riley setzte sich ins Gras und sah zu, wie Nick auf der Wiese umherging. Mal streckte er die Arme in die Luft, mal tauchte er nach unten weg. Mal stand er reglos da und wartete. Dann ging er plötzlich weiter, fing fast an zu rennen, fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. Riley musste grinsen. Wahrscheinlich ist er hier häufiger nachts anzutreffen, dachte sie - auch wenn die Glühwürmchen nicht fliegen - und tobt sich richtig aus: wie ein ungestümes Kind.
Oben am Himmel zogen dunkle Wolken dahin, zwischen denen manchmal der helle Mond zum Vorschein kam. Mal konnte Riley Nick ganz deutlich erkennen - eine kobaltblaue Gestalt mit einem blitzenden Glas in der Hand -, mal war er nur noch zu erahnen.
»Riley«, rief er. »Wo sind Sie?«
Riley saß ganz still da.
»Riley!«, rief er wieder, diesmal lauter.
Nichts.
»Ah, ein kleines Spielchen«, sagte er und ging langsam wieder in ihre Richtung. Sooft zwischen den Wolken das Mondlicht hervorbrach, drehte er sich im Kreis und hielt Ausschau nach ihr - dann war plötzlich wieder alles dunkel. Riley saß in einer flachen Mulde, verschmolz nahezu
mit dem Boden ringsum. Nick war jetzt nur noch ein paar Meter von ihr entfernt; einmal ging er sogar so nahe an ihr vorbei, dass sie ihn atmen hörte, so nahe, dass sich ihr die Nackenhaare sträubten. Trotzdem sagte sie nichts.
Er blieb stehen, drehte sich um und sah direkt in ihre Richtung. Er machte einen Schritt nach vorn, blieb wieder stehen, starrte in die Dunkelheit, als ob er der Finsternis die letzten Strahlen des Mondlichts entreißen wollte. Dann kam er näher, immer näher. Nun war er nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt, und die Luft zwischen den beiden schien elektrisch aufgeladen. Riley hielt die Luft an und sah ihn von unten an. Noch ein Schritt, dann beugte er sich nach vorn und inspizierte die merkwürdige Gestalt direkt vor seiner Nase.
Just in dem Moment trat der Mond hinter einer dunklen Wolke hervor, und Nick blickte Riley direkt in die strahlenden Augen: das eine grün, das andere braun. So starrten sie sich atemlos mehrere Sekunden an. Dann erhob sich Riley auf die Knie, während Nick vor ihr niederkniete und die Arme um sie schlang. Die beiden sahen sich an.
»Es ist schon’ne Weile her«, sagte Nick. »Und was mache ich jetzt?«
»Ich glaube, jetzt müsstest du mich eigentlich küssen.«
Nick zögerte. »Hab ganz vergessen, wie das geht.«
»Das ist wie mit dem Fahrradfahren - das vergisst man nie.«
»Fahrradfahren war auch nie meine Stärke; ich bin ständig umgefallen.«
»Die Liebe ist ein gefährliches Spiel - hast du das nicht selbst gesagt?«
Und dann wussten beide plötzlich wieder, was zu tun war.
Irgendwann fing Nicks Handy an zu piepsen. Er kramte
es aus der Tasche und klappte es auf. »Was ist?«, fragte er verärgert.
»Nick, hier spricht Leo. Schon ein Gefühl gehabt?«
»Ja, da war vorhin so was - könnte eins gewesen sein. Was willst du?«
»Kommt mein Anruf ungelegen?«
»Eigentlich schon. Warte mal.« Nick brachte sich neben Riley in Stellung und hielt das Handy so, dass sie mithören konnte.
»Der Computer ist gerade mit den Berechnungen fertig geworden«, sagte Leo. »Er hat sämtliche Originaldokumente rekonstruiert und ausgedruckt, vorwiegend Finanzbelege: eine Visa-Abrechnung, dann den Wertbericht eines Investmentfonds, ein Schreiben von einer Krankenversicherung - so was in der Art. Aber bei den Konfettischnipseln waren ein paar Sachen dabei, die euch interessieren könnten: zum Beispiel der Prospekt eines Zentrums für ambulante Chirurgie in Penn Hills. Oder glaubst du, der alte Knabe wollte sich bloß das Knie operieren oder eine Warze entfernen lassen?«
»Denkbar. Und was sonst?«
»Drei Abrechnungen von einer kanadischen Online-Apotheke. Die Präparate heißen Neoral, Immuran und Orasone.
Weitere Kostenlose Bücher