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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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schwachsinnig. Die konnte sich nicht wehren, war auch immer so freundlich zu allen. Sie war zu gut für diese Welt. Darum ist sie auch so schnell heimgerufen worden. Wir andern Schlitzohren, wir müssen lange in diesem Jammertal aushalten. Ich war damals Knecht bei Smedbys, auf dem Nachbarhof, und niemals habe ich Sirén herausgeputzt herumstolzieren sehn, wie viele der anderen Weiberhelden.«
    »Hat Ivan erfahren, was mit den Eltern passiert ist?«
    »Ich glaube, er hat erst davon gehört, als er in die Schule kam. Braucht ja nicht viel und man wird gehänselt, und die Kinder haben ja mitgekriegt, wie die Erwachsenen getuschelt und getratscht haben. Ja, er wurde gehänselt. Aber nicht lange, wenn ich mich recht entsinne. Der Großvater kam eines Nachmittags in die Schule und sprach mit der Klasse. Danach hat niemand mehr etwas gesagt. Ivans Großvater machte man sich nicht unnötig zum Feind.«

    Ein Klopfen an der Tür ließ Hartman vom Stuhl auffahren. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Maria!
    »Kannst du in den Konferenzraum kommen, Hartman?« Erika Lund war in dem unbarmherzigen Tageslicht leichenblass und hohläugig.
    »Maria?«
    »Ich werde drinnen berichten.« Alle waren anwesend, alle Blicke wandten sich den beiden Kollegen zu.
    »Ich bin Ivan Siréns Wohnhaus und danach die Ställe mit den Nerzkäfigen durchgegangen, um mir einen weiteren Überblick zu verschaffen, bevor ich mit der Kleinarbeit fortfuhr. In dem Kühlraum mit den Tierkörpern fand ich Marias Halskette. Die die sie immer trägt. Ich glaube, er hat Nerzfutter daraus gemacht. Aus den Körpern! Proben für die DNA-Analyse sind eingeschickt, mit höchster Priorität«, sagte Erika mit unsicherer Stimme.
    »Was sagst du da?!« Hartman hielt sich krampfhaft an der Tischkante fest. Alles Blut war aus seinem Gesicht gewichen, »Was hast du gesagt?«
    »Ich glaube, er hat die Körper zu Nerzfutter verarbeitet! Unten im Keller des Hauses, im Heizungsraum, fand ich Reste von verbrannten Kleidungsstücken, Knöpfen und Knochenteilen, die nicht ganz verbrannt waren. Unglücklicherweise kam Krister Wern in den Schuppen, als wir gerade menschliche Reste in dem Nerzfutter entdeckten. Er ist mit einem Schock ins Krankenhaus eingeliefert worden. Ich weiß nicht, wie er durch die Absperrung gekommen ist. Er meinte, die Fahndung kommt zu langsam voran und wollte dabei helfen. Wir müssen vielleicht unsere Vorgehensweise in diesem Punkt überprüfen. Die Kinder müssten aus dem Kindergarten abgeholt werden«, sagte Erika und holte tief Atem. Die Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie hielt sich die Hand vors Gesicht.
    »Wer holt sie ab?«
    »Ein Freund der Familie, Manfred Magnusson. Er war mit Krister Wern bei der Nerzfarm.«
    »Gibt es einen Hinweis, dass Maria …« Hartman merkte, wie die Hände wieder zu zittern begannen. In einem stillen Gebet faltete er sie auf den Knien.
    »Wir haben Proben für eine DNA-Analyse eingeschickt. Es kann Stunden dauern, bis wir eine Antwort bekommen. Ich habe ein Haar aus ihrer Haarbürste zu Vergleichszwecken mitgeschickt. Das Fahrrad ist auch gefunden worden. Marias Fahrrad. Unter einem Komposthaufen ganz dicht am Wohnhaus.«
    Erika kniff sich fest in den Unterarm, um das Weinen zu unterdrücken, das ihr im Hals saß.
    »Habt ihr Spuren von Gustav gefunden?«
    »Eine Mundharmonika. Die lag draußen an einem der Nerzkäfige. Egil Hägg sagt, dass Gustav sie immer bei sich hat, sogar im Bett. Das ist sein Allerliebstes. Er hat sie von Ivan zum Geburtstag bekommen. Ich glaube, Egil war kurz vor dem Zusammenbruch, als ich sie ihm gezeigt habe.« Erika stützte sich auf dem Tisch ab und setzte sich hin. »Ich kann nicht mehr«, weinte sie. Hartman legte seine Hand auf ihre Schulter. Ihm fehlten die Worte. Im Konferenzraum war es totenstill. Das eintönige Geräusch des Ventilators unterstrich zusätzlich die Sprachlosigkeit. Als Erster löste sich Arvidsson aus der Versteinerung.
    »Ragnarsson hat angerufen. Er setzt mehr Leute am Festplatz ein. Dort hat es offenbar Schlägereien gegeben. Die Bewachung des Kräutergartens ist bis auf weiteres eingestellt.«
    »Wer hat das Telefonat entgegengenommen, ohne mich zu informieren?«
    »Himberg.«

    Rosmarie hatte den ganzen Tag über im Pavillon auf ihn gewartet. Das weiße Kleid, das all die Jahre über auf dem Dachboden gelegen hatte, hing lose um ihren mageren Körper. Die Spitze am Ausschnitt war eingerissen und der Stoff gelblich geworden. Sie hatte es angezogen,

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