Totenwache
ihren Blick hinauf zu den Kirchenfenstern wandern. Sah die Glasscheiben in Blau, Rot und Gelb mit ihren bleigefassten Rändern. Vielleicht sah Ivan jetzt Rosmarie an, so wie er sie hatte sehen wollen, voller Liebe. Gustav saß ganz vorn neben Egil mit einem Strauß Glockenblumen in der Hand. Sein Haar bewegte sich im Takt der Musik, die Schultern schaukelten. Ein hübsches Bild, aber Maria empfand nichts dabei. Die Worte berührten sie nicht. Sie hatte nicht reagieren können, weder trauern noch sich freuen, nicht einmal Wut hatte sie empfanden. Die Wunde am Kopf war beinahe verheilt. Aber alle Gefühle waren tot. Es kam ihr so vor, als ob sie eine Maria neben sich beobachtete, feststellte, dass das, was sie tat, korrekt, jedoch ohne Leben war. Es schien ihr, als ob alles um sie herum ihr gleichgültig war. Hartman hatte verstanden und ihr professionelle Hilfe angeboten, aber sie hatte abgelehnt. Sie hatte keine Kraft mehr. Wollte nur noch schlafen. Krister machte sich Sorgen.
Ein kleiner Mann stand mit seiner Geige auf. Er sah unscheinbar aus, aber seine Musik war gewaltig. Hinterher konnte niemand genau sagen, wer er war und woher er kam. Ein Musiker auf der Durchreise? Die Töne stiegen und sanken unter dem hohen Gewölbe der Kirche. Berührten sie behutsam. Der Bogen tanzte wie verzaubert über die Saiten. Die sensiblen Finger erfüllten die Töne mit Leben. Sie gingen ins Blut und sanken wie schwere Steine ins Bewusstsein. Wiegend drückte die Musik das Schwere aus und ging dann über in ein Feuerwerk aus Tönen, wie Sterne und Feuer, Nordlicht und Wasserfall. Solche Musik erreicht Sphären, in die Worte niemals gelangen, gegen solche Musik kann man sich nicht wehren, sie erreicht die Seele direkt. Ohne das Gesicht zu verbergen, ließ Maria die Tränen ungehindert fließen und nahm Kristers Hand.
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