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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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wissen, »Clarence?«
    »Ivan Sirén.«
    »Darf ich mit ihm sprechen?«
    »Sind Sie nicht ganz bei Sinnen? Gehen Sie in Deckung, verdammt nochmal.«
    Der Schatten einer Männergestalt glitt auf den Pavillon zu. Die Tür wurde aufgerissen. Auf dem Fußboden lagen Rosmarie Haag und Ivan Sirén eng umschlungen.
    »Polizei. Werfen Sie die Waffe weg, Ivan Sirén!«
    Die beiden beachteten ihn überhaupt nicht. Vielleicht war das eine Falle. Himberg merkte, wie sich sein Magen verkrampfte. »Lassen Sie die Frau los und stehen Sie auf!« Die darauf folgende Stille dröhnte in den Ohren. Himberg stieß Ivan mit dem Fuß an. Dessen Körper rollte zur Seite, die Arme ragten in die Luft. Rosmaries Augen waren geschlossen. Die weißen Lippen trugen die Spuren des tödlichen Kusses. Himbergs wütender Schrei gellte durch die Nacht und war bis auf den Parkplatz zu hören, wo Hartman gerade mit seinem Auto angekommen war.

43
    Die Dämmerung hing dicht über dem Wald und senkte sich über die Strandwiese wie eine große graue Wolldecke. Die letzten Strahlen der Abendsonne beleuchteten die Unterkante der Wolken und zauberten einen Streifen von unterschiedlichsten Rottönen unter die kompakte dunkelgraue Wolkenwand. Das Meer lag still und lauschte. Manchmal tastete sich eine leichte Welle über die runden Steine an der Wasserkante. Eine Taube war über die Wiese zum Wald hin geflogen. Eine hübsche braune Taube mit weißen Schwungfedern und weißem Kopf. Ein junger Mann sang. Aus vollem Herzen sang er seine schönen Lieder, sang für das Leben. Die Töne wurden von dem leichten Wind davongetragen, schwebten über die Glockenblumen und vereinten sich mit dem leisen Rauschen der Fichten.
    Am Rande der Lichtung hielten sie mit dem Auto an. Egil Hägg rannte schneller, als man es für möglich gehalten hätte, über das Wiesengras, dicht gefolgt von Arvidsson und Ek.

    Voller Verzweiflung war Egil am Nachmittag nach Hause gefahren. Nach Hause in die Leere. Zu Gustavs unberührtem Bett. Gustavs Botten standen an der Glastür zum Taubenschlag.
    Die Mundharmonika hatte er oben auf das Regal über Gustavs Bett gelegt. So als ob er nur ein wenig aufgeräumt hätte, so als ob Gustav jeden Moment hereinkommen und fragen konnte, wo sie geblieben war. Alle so vertrauten Gustav-Töne fehlten ihm: Niemand schepperte in der Küche, niemand spülte Wasser in der Toilette, nicht mal Beethovens hartnäckige Streichermusik unterbrach die Stille. Egil blickte auf die Plastikschale, in der Gustavs Medikamente lagen, eingeteilt für jeden Tag. Lebenswichtige Medikamente! Egil rang die Hände, nichts konnte er tun. Ein leises Gurren aus dem Taubenschlag unterbrach für ein Weilchen sein rastloses Umherwandern. Das Leben ging trotz allem weiter. Die Tauben mussten Mais und Wasser haben. Da sah er, wie Arrak angeflogen kam und sich auf den Stab vor seinem Nest setzte. Egil wollte die Taube in die Hand nehmen. Trost bei ihr suchen, wenn es den denn geben konnte. Da entdeckte er den kleinen Zettel, der unter den Ring der Taube geschoben worden war, und seine Freude und Erleichterung kannte keine Grenzen.
    Schon von weitem hörten sie Gustavs Singen unten im Bunker. Die Töne stiegen wie Rauchsignale in den Himmel: Hier sind wir! Egil stolperte vorwärts, von Tränen halb blind.
    »Gustav, mein Gustav!« Arvidsson wollte rufen, aber seine Stimme versagte. Er wagte es einfach nicht, denn was wäre, wenn die Antwort ausblieb? Die Tür des Bunkers war mit einem Vorhängeschloss gesichert. Arvidsson ging um den Bunker herum auf die Seeseite und riss mit bloßen Händen die Bretter von der Luke. Er starrte ins Dunkel.
    »Maria, lebst du?«
    »Sie schläft immer nur«, antwortete Gustav.
    »Atmet sie?«
    »Ja, natürlich. Man muss immer atmen, sonst stirbt man doch.«
    Arvidsson nahm einen großen runden Stein und schleuderte ihn auf das Schloss. Das brach auf, und er öffnete die Tür. Der Gestank schlug ihm entgegen.
    »Ist der Krankenwagen auf dem Weg?«
    »Ja«, antwortete Ek und ging vor der Luke in die Hocke. »Wie fühlst du dich, Maria?«

Epilog
    Maria saß in der Kirche von Kronviken. Die Orgel spielte eine machtvolle Fuge, deren Töne unter das Deckengewölbe stiegen und an den Pfeilern herunter auf den Boden flossen. Ganz hinten in der Kirche hatte man ein Holzboot mit Sand gefüllt, das als Kerzentisch diente. Mit zitternden Händen hatte sie ihre Kerzen zur Erinnerung an Rosmarie Haag und Ivan Sirén angezündet. Während der Traueransprache ließ sie

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