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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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hinaus ins Dunkel zu sehen. Einmal raschelte es und ich habe gesehen, wie sich die Jasminbüsche bewegten, obwohl es windstill war. Ein anderes Mal habe ich gemeint, dass jemand ›Rosmarie‹ flüsterte, wie ein gepresster Schrei, sehr leise. Kaum hörbar.«
    »Haben Sie eine Person gesehen? War es ein Mann oder eine Frau?«
    »Also, ich kann nicht direkt sagen, dass ich jemanden gesehen habe. Das Ganze ist mir sehr unheimlich. Es kommt mir vor, als ob jemand mir etwas antun will. Clarence wurde wütend, weil ich die Polizei angerufen habe. Er fand, dass ich mich lächerlich mache. Polizeiinspektor Himberg war auch nicht gerade interessiert daran, was ich ihm sagen wollte. Er wurde richtig wütend, obwohl ich ihm, als er Konkreteres wissen wollte, von den Pflanzen erzählt habe, die im Garten ausgegraben worden sind. Blauer Eisenhut und gefleckter Schierling sind ja wohl konkret genug! Beide enthalten tödliche Gifte! Keine anderen Pflanzen sind verschwunden, nur Eisenhut und Schierling! Und die wuchsen nicht mal nebeneinander. Ich habe das ungute Gefühl, dass derjenige, der die Pflanzen mitgenommen hat, sehr wohl wusste, was er da ausgrub. Darauf habe ich Himberg mehrmals hingewiesen, aber da hörte er schon nicht mehr zu.«
    »Und es kann niemand anderes in der Gärtnerei gewesen sein, der sie umgepflanzt hat?«
    »Nein, warum sollte jemand das getan haben? Nein, ich glaube nicht. Im antiken Griechenland wurde mit dem Tode bestraft, wer Eisenhut und Schierling in seinem Garten anpflanzte. Wussten Sie das? Eisenhut führt langsam und sehr schmerzhaft zum Tode. Während Schierling zu jener Zeit von den Gerichten zur Vollstreckung der Todesstrafe genutzt wurde. Es ist überliefert, dass Sokrates gezwungen wurde, einen Giftbecher zu leeren, der Schierling enthielt. Das soll entsetzlich schlecht schmecken, man nimmt es also nicht versehentlich zu sich. Damals sah man das Austrinken des Giftbechers als eine würdige und humane Art der Hinrichtung an. Beinahe so ehrenvoll wie der Brauch der alten Römer, sich in ein heißes Bad zu legen und sich, umgeben von Angehörigen und Freunden, die Pulsadern aufzuschneiden. Eigenartig, wie sich die Normen auf diesem Gebiet verändert haben. Heutzutage wird uns beinahe das Recht auf den eigenen Tod genommen.« Maria hörte den Unterton und wartete auf eine Fortsetzung, die jedoch nicht kam.
    Rosmarie goss mehr Holunderblütensaft in Marias Glas. Einen kurzen Augenblick lang überlegte Maria, ob es ein Giftbecher war, den sie da eben geleert hatte. Aber die kleinen Kümmelzwiebäcke auf der Schale sahen so appetitlich und harmlos aus, dass sie den Gedanken sofort beiseite schob.
    »Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Mann? Haben Sie sich gestritten?« Maria lehnte sich zurück. Vielleicht war die Frage sehr direkt, aber in diesem Zusammenhang musste sie erlaubt sein. Ein Schatten fiel über Rosmaries sahneweiße Haut, sie schien ausweichen zu wollen.
    »Wir haben uns nicht gestritten. Wir streiten uns nie. Jeder kümmert sich um seine Angelegenheiten. Wir vertragen uns gut.«
    »Lieben Sie ihn?« Maria stellte fest, wie Rosmarie mit der Frage kämpfte. Sie schien etwas sagen zu wollen, entschloss sich aber anders. Abwesend goss sie mehr Holunderblütensaft ein. Die Hand zitterte leicht, aber die Stimme war fest.
    »Ist Liebe etwas anderes als ein Hormonstoß? Eine Eigenart der Natur, damit die Art weiterbesteht. Wir leben zusammen. Ich glaube nicht, dass es uns besser oder schlechter geht als anderen. Clarence kümmert sich um die wirtschaftliche Seite. Da brauche ich mir keinerlei Gedanken zu machen. Die Hausarbeit und der Kräutergarten sind meine Angelegenheiten. Zu streiten gibt es keinen Grund. Jeder von uns hat seinen Bereich.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Nein.« Die Antwort kam schnell und hart, als ob sie auf die Frage gewartet hatte. Sie schmerzte. Maria wartete einen Moment schweigend, gab Rosmarie Gelegenheit, ausführlicher zu antworten, wenn sie das beabsichtigte.
    »Einmal hat es mich richtig erwischt, einige Monate war ich wahnsinnig verliebt. Der Appetit ist mir vergangen. Ich wurde schwanger. Er verschwand und ist nie wieder aufgetaucht. Im siebenten Monat habe ich das Kind verloren. Viele Jahre später tauchte Clarence auf. Er rettete den Kräutergarten und die Gärtnerei vor dem Konkurs. Wofür hätte ich noch weiterleben sollen, wenn man mir den Kräutergarten genommen hätte?«

    Maria überließ sich eine Weile ihren Gedanken. Ließ den Blick über

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