Totenwache
durchaus, dass Sie es nicht leicht haben, dass Clarence’ Verschwinden Ihr Dasein völlig verändert hat. Wir werden alles unternehmen, um herauszufinden, was da geschehen ist. Können Sie nicht so lange bei Ihrem Vater wohnen oder eine Freundin bitten, bei Ihnen zu übernachten?« Maria versuchte sie zu beruhigen, so gut es ging, und verwies auf die Polizisten, die zur Zeit im Dienst waren, gleichzeitig mahnte sie die Kinder zur Ruhe, die sich auf dem Rücksitz kabbelten, weil sie mithören wollten, was Rosmarie am Telefon sagte. Hartman hatte Spätdienst, bei dem war die Frau jedenfalls in guten Händen.
Als Maria in die letzte Kurve zu dem gelben Haus in Kronviken einbog, blickte sie mit Sorge auf ihren Garten, in dem Kristers Busenfreund, Mayonnaise genannt, seine Rostlauben genau auf den Platz gestellt hatte, den sie sich für ihren Kräutergarten ausgesucht hatte. Als Maria am Mittwochabend nach Hause gekommen war, hatten sie da wie Überreste nach einem Krieg zwischen Schrottfirmen gestanden. Fünf rostige Volvo 240 und ein Saab. Das mit dem Busenfreund war Mayonnaises Auffassung. Krister konnte sich schwach erinnern, dass der Mann irgendwann in der Mittelstufe in seine Parallelklasse gegangen war. Später hatten sie gemeinsam eine Werkstatt gemietet, ein paar Jugendliche unter sich. Krister konnte sich daran erinnern, dass Mayonnaise dort eine Ecke gehabt hatte. Es war ein leer stehendes Gebäude gewesen, aber inzwischen war die Werkstatt abgerissen und an gleicher Stelle ein Lagerhaus gebaut worden. Eins der Autos gehörte gerüchteweise Krister, was der nicht dementieren konnte. Mayonnaise war davon überzeugt, dass die Autos mittelfristig einen hohen Sammlerwert haben würden, wenn sie bis dahin nicht verrostet waren. Krister war sich da unsicher. Warum die Autos nicht im Garten von Mayonnaise abgestellt werden konnten, war noch nicht ganz klar. Andeutungsweise hatte Maria munkeln hören, dass es um Jonna und Scheidung ging, und das schien ihr nur zu verständlich. In letzter Zeit hatte sich Mayonnaise in Marias Augen zum Sonntagsstörer entwickelt. Jeden Sonntag bei Wind und Wetter klingelte er an der Tür. Jedes Mal mit einem neuen Anliegen. In der Hinsicht fehlte es ihm nicht an Phantasie. Mit einem fröhlichen: »Na, wie läuft’s, Krister? Du kannst doch nicht den ganzen Tag verschlafen!«, erwartete er ein Sesam-öffne-dich. Danach wurde man ihn kaum noch los. Häufig hatte er seinen Sohn, Biffen, dabei. Ein Kind wie Karlsson vom Dach. Egoistisch und dominierend wie sein großes Vorbild, der Vater. Ein richtiges kleines Ekel, wenn man so etwas von einem Kind sagen durfte. Emil hatte ein wenig Angst vor ihm und hielt sich dicht an Krister, wenn Biffen auftauchte. Aber nicht genug mit den Schrottkisten, heute standen zwei neue Autos auf dem Parkplatz. Der weiße Saab von Schwiegermutter Gudrun und ein roter Renault, den sie nicht kannte. Einen Moment lang sehnte sich Maria zurück in ihr Büro. Die Schwiegermutter beobachtete die Straße, allerdings nicht sie allein. Neben sich hatte sie eine Freundin. Die beiden saßen auf der Treppe wie eine träge dahinfließende groß geblümte Masse und warteten gierig darauf, hineingelassen und zu Kaffee und Kuchen eingeladen zu werden.
»Jetzt sehen wir uns erst mal das Haus an«, hörte man Gudrun Werns krächzenden Sopran aus der Diele. »Wir wussten nicht recht, was wir heute unternehmen sollten, und da meinte Astrid, dass es doch ganz schön wäre, wenn wir hinaus in die Natur fahren würden. Ich habe einen Kardamomkuchen mitgebracht, da brauchst du nur noch Zimtsemmeln und Kekse herauszuholen.« Maria fiel das schmutzige Waschbecken in der Toilette ein, niemand war in der Lage gewesen, es nach dem nächtlichen Graben in den Beeten sauber zu machen. Und die Stapel von schmutzigem Geschirr in der Spüle. Eilig schloss sie die Tür zum Schlafzimmer, in dem Kristers Unterhosen dort lagen, wo er sie hatte fallen lassen.
»Heute passt es eigentlich nicht gut. Ich würde dich bitten, vorher anzurufen …« Sie stieß auf taube Ohren. Gudrun Wern hatte bereits mit ihrer Führung begonnen und ließ sich so schnell nicht abfertigen.
»Und hier haben wir das Wohnzimmer. Wenn man diesen hässlichen Kachelofen herausreißt, wäre genügend Platz für einen Esstisch, dann brauchte man nicht draußen in der zugigen Veranda zu sitzen. Du kannst dir ja vorstellen, wie viel Qualm und Schmutz ein so altes Ding verbreitet. Und hier haben wir die Küche.« Maria
Weitere Kostenlose Bücher