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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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der ihren anzupassen. Meistens blieben ihm nur ein oder zwei Worte, die er im richtigen Moment mit der gleichen Präzision sagen musste, die man beim Seilspringen braucht, wenn man seinen Einsprung dem Tempo der anderen anpassen muss.
    »Wühlmäuse«, sagte er, als Gudrun Luft holte, nachdem sie Kristers Kleidung, besser gesagt den Mangel an Bekleidung, kommentiert hatte.
    »Was hast du gesagt, Papa?« Krister legte eine Hand auf Gudruns Arm, um sie zum Schweigen zu bringen.
    »Wühlmäuse an der Hauswand«, wiederholte Artur sekundenschnell und blickte wachsam auf seine Frau.
    Gemeinsam gingen die Männer hinaus, um sich der wilden Tiere anzunehmen. Widerwillig machte sich Gudrun Wern mit den Kindern auf den Weg zum Strand, nachdem sie die brennendsten Fragen zu dem Mord und dem ertrunkenen Mann gestellt und ihre dringendsten Kommentare dazu abgegeben hatte.
    »Diese Rosmarie Haag, die Frau von dem Hausmakler, ist eine ziemlich lockere Person. Ich habe sie auf dem Bild gleich erkannt.«
    »Jaha?«, horchte Maria auf, denn sie war sich nicht ganz sicher, was locker in diesem Zusammenhang bedeuten sollte. Gudrun nickte konspirativ und mit großem Nachdruck.
    »Als wir neulich von euch nach Hause fahren wollten, du erinnerst dich, als Astrid und ich hier waren, sind wir den Umweg am Sportboothafen vorbei gefahren. Astrid findet das so romantisch mit all den Booten und den Lichtern. Ich fand das eigentlich ein bisschen unnötig. Es war ja so ein Unwetter und ich war müde. Das muss ich schon sagen: Die Kinder sind ja kleine Engel. Aber in meinem Alter wird man von all der Unruhe, die sie verbreiten, doch müde. Warte erst mal, wenn du so weit bist. Jedenfalls, wir konnten ja nicht aus dem Auto steigen, ohne völlig durchzuweichen, deshalb haben wir draußen auf dem Kai geparkt und uns die Boote angesehen, die da auf dem Wasser schaukelten. Da sagte Astrid: Guck mal da! Und kannst du dir vorstellen, da kommt Rosmarie Haag von einem der teuren Mahagoniboote. Also wirklich! Ein Mann ist dicht hinter ihr und begleitet sie auf den Kai. Na und dann. Sie umarmen sich. Astrid sagte, es hat so ausgesehen, als ob sie sich küssten. Ich war nicht ganz so sicher. Vielleicht haben sie nur miteinander geredet. Wenn ein so scharfer Wind weht, ist nicht ganz leicht zu verstehen, was jemand sagt. Sie standen direkt unter der Straßenlaterne. Astrid fand das richtig romantisch. Genau wie in dem alten Film ›Ihr erster Mann‹. Dann stiegen sie in ein Auto und verschwanden. Man muss sich vorstellen, sobald der Ehemann weg ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Denn der Ehemann war das nicht, da bin ich ganz sicher.«
    Gudrun verzog den Mund und nickte nachdrücklich.
    »Der Mann in dem Mahagoniboot ist ein guter Freund der Familie Haag. Es ist doch nur natürlich, dass Rosmarie in ihrer Sorge bei jemandem Unterstützung sucht.«
    »Natürlich. Ja, das kann man sich vorstellen. Aber Astrid hat gesehen, was sie gesehen hat, und das will ich nur mal sagen: Ein lockeres Frauenzimmer, das ist sie.«
    Als das Haus leer war, packte Maria einen Kaffeekorb und stellte ihn auf den Küchentisch, schrieb einen Zettel, duschte schnell und ging hinaus. Sie hatte das dringende Bedürfnis, allein zu sein. Garantiert allein! Krister und der Schwiegervater waren eifrig dabei, die Wühlmäuse in ihren Löchern auszuräuchern. Artur sah richtiggehend enthusiastisch aus. Krister ebenfalls. Er konnte seinem guten Stern danken, dass er diesmal so elegant davongekommen war. Aber er durfte sich keinen Augenblick einbilden, dass das Thema damit abgeschlossen war. Wie kann man einem Mann vertrauen, der nur vorgibt, sich sterilisieren zu lassen? Wie kann man mit jemandem zusammenleben, dem man nicht vertrauen kann? Maria winkte Krister und Artur zu, als sie auf den Pfad in Richtung Kronberg einbog, aber die beiden waren viel zu beschäftigt und bemerkten sie gar nicht.

22
    Es ist ganz erstaunlich, wie Pflanzen unter so kargen Verhältnissen zurechtkommen; Fette Henne, Schafgarbe und echtes Laubkraut, Butterblumen und Wiesen-Knautie überlebten in dem mageren Mutterboden auf dem Berghang in kleinen verkümmerten Exemplaren. Wenn der Wind peitschte, in Wolkenbrüchen oder bei großer Hitze und anhaltender Trockenheit, hielten sie sich mit ihren Wurzeln fest. Maria strich sich die Haare aus dem Gesicht und wanderte schnell bergauf. Eigentlich hatte sie sich überlegt, heute Morgen ein paar Kilometer am Strand entlangzujoggen, aber mit der Schwiegermutter und den

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