Totenwache
den Gartentisch. Dort setzte sie sich auf die äußerste Kante der Gartenbank und wippte gereizt mit dem Fuß, wie eine Katze mit dem Schwanz wedelt.
Rosmaries Kräutergarten lag im hellen Sonnenschein. Der Garten sah in seinem üppigen Grün friedlich aus. Maria atmete tief durch und ließ die Meeresluft ihre Lungen streicheln. Bienen summten in der Rosenhecke. Schwalben kamen zu ihren Nestern unter dem Dach des Restaurants und flogen wieder weg. Eine lächelnde Kellnerin in naturfarbenem ärmellosem Kleid kam Maria entgegen.
»Rosmarie ist im Gartenpavillon. Konrad sitzt dort bei ihr. Sie ist völlig durch den Wind, die Arme. Ich glaube, die Ereignisse der letzten Zeit sind zu viel für sie gewesen. Sie will uns nicht erzählen, was eigentlich los ist. Sie weint nur. Das wird alles kein gutes Ende nehmen.« Das berufsmäßige Lächeln verschwand aus dem Gesicht der Frau und wich einer eindringlichen Bitte:
»Die Polizei muss doch etwas tun können! Es ist ganz schlimm, wenn man zusehen muss, wie ein Mensch innerhalb nur weniger Tage so abbaut. Haben Sie denn immer noch keine Spur von dem Ehemann?«
»Wir arbeiten ununterbrochen daran. Wie würden Sie denn Clarence beschreiben, so als Menschen?«
»Freundlich, ein sehr netter Mann und so besorgt um Rosmarie. Er fährt überall mit ihr hin. Die beiden sind immer zusammen. Wenn sie auf einem Fest ist, holt er sie jedes Mal ab. Macht gar nichts, wenn es spät wird, er wartet im Auto und bringt sie nach Hause. Und neulich, als sie eine Freundin in Gävle besuchte, fuhr er hin und überraschte sie, als sie gerade in den Zug steigen wollte. Er hatte Rosen gekauft. Da könnte mein Mann sich mal eine Scheibe abschneiden.«
Sie näherten sich dem Pavillon, und die Frau fasste Maria an den Arm. »Versprechen Sie mir, dass dieses Elend bald ein Ende hat. Sie hält es nicht mehr lange aus, mit dieser Ungewissheit zu leben.«
Rosmarie saß zusammengekauert in einem Korbstuhl in einer Ecke des Pavillons. Konrad saß neben ihr und hielt ihre Hände in seinen. Sein Gesicht drückte eine Trauer aus, die Maria beinahe die Fassung nahm.
»Kommen Sie mit«, sagte Rosmarie und stand mühselig auf.
»Kommen Sie mit zur Brücke, dann können Sie es sehen.« Ihr Gesicht war ebenso zerknirscht wie das von Konrad. Mit dem Jackenärmel trocknete sie sich die verschwollenen Augen.
»Geht ihr vor, ich komme langsamer hinterher«, sagte Konrad. Sie gingen auf den Seerosenteich mit den Trauerweiden zu. Als sie sich der Brücke näherten, merkte Maria, wie Rosmaries Körper sich versteifte, wie der Griff um ihren Arm härter wurde.
»Auf der Brücke neben der Weide, sehen Sie selbst!« Maria schob die Zweige beiseite und starrte auf den durchnässten zerzausten Katzenkörper, der schlapp und ausgestreckt unter den dunkelroten Buchstaben lag, die das Wort HURE bildeten. »Ich sah etwas Weißes, das durch die Binsen zu sehen war, und dann entdeckte ich die Katze.« Ein heiserer Weinkrampf unterbrach die Stimme. »Ich glaube, das ist Blut.« Rosmarie wies auf die Buchstaben. Zitternd ließ sie sich auf die Knie nieder und strich der Katze über das nasse Fell. Nur das leise Rauschen des Windes in der Weide war zu hören. Maria ging in die Hocke und legte ihr den Arm um die Schultern. Lange saßen sie so da, bis Konrads schleppende Schritte auf dem Schotterweg zu hören waren.
»Was halten Sie davon?«, wollte Maria wissen. Rosmarie schüttelte den Kopf.
»Weshalb sollte Clarence die Katze töten, an der er so hängt?« Plötzlich wurde ihr das Symbolische der ganzen Situation klar. »Wenn er die Katze töten kann, dann kann er auch mich umbringen. Will er das zum Ausdruck bringen?« Rosmaries runde Augen sahen Maria flehentlich an, bettelten und baten darum, dass sie widersprach, ihr sagte, dass der Gedanke abwegig sei.
»Wir haben das Schloss an der Haustür auswechseln lassen«, murmelte Konrad. »Und wir schlafen in der Küche, die Tür zum Schlafzimmer ist abgeschlossen und die Vorhänge sind zugezogen, falls er auf die Idee kommt, durchs Schlafzimmerfenster einzusteigen. Es kommt einem vor, als ob man in Gefangenschaft lebt. Abends haben wir die Lampe in der Küche ausgeschaltet, und so sitzen wir im Dunkeln da, damit man uns nicht sehen kann. Wir trauen uns nicht, das Radio oder den Fernseher einzuschalten, damit wir kein Geräusch überhören, einen Schritt auf dem Schotter oder eine Klinke, die gedrückt wird. Von der Abenddämmerung bis zum Hellwerden am Morgen sitzen wir
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