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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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eingenommen hatten. Emil war gar nicht zu sehen. Maria fand ihn erst nach einer ganzen Weile. Er saß auf der Wiese im Gras und sah sich einen Schmetterling an.
    »Fußball ist nicht mein Ding«, erklärte er.
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Papa, du und ich, wir können ja spielen, wenn wir nach Hause kommen. Jedenfalls ist das nicht Mayonnaises Ding. Das ist mal sicher!«
    Krister stand auf dem Parkplatz vor dem Clubhaus und wartete. Linda saß auf seiner Schulter und bearbeitete seine Frisur mit ihren schmierigen kleinen Händen.
    »Ich habe den Picknickkoffer gepackt, dann können wir gleich losfahren. Hast du die Karte im Auto, die du von Erika Lund bekommen hast?«
    »Im Handschuhfach.«
    »Wo wollen wir hin, wollen wir baden?«, fragte Emil.
    »Wir wollen versuchen, einen Weg durch den Wald nach Sandåstrand zu finden. Den Platz, den Gustav die Brücke der Wichtelmännchen nennt. Von dort ist Gustavs Taube, Arrak, losgeflogen, als wir ihm bei dem Wettkampf geholfen haben, wisst ihr noch?«
    »Prima!« Emil hüpfte auf einem Bein im Kreis.
    »Jetzt sind allerdings keine Tauben da. Aber da ist ein Badestrand mit Sand so weich wie Zuckerkuchenteig.«
    »Sag so was nicht. Linda steckt auch so schon Sand in den Mund, ohne dass du ihr das extra sagst.«

    Der Weg über die Schießbahn durch den Wald war kurvenreich und voller Schlaglöcher. Linda wurde übel, und sie übergab sich, obwohl sie langsam und mit heruntergekurbelten Fensterscheiben fuhren. Mehr als einmal mussten sie anhalten und sie aussteigen lassen, damit sie sich an der frischen Luft erholte.
    »Wir hätten vielleicht zu Hause bleiben und im Kronviken baden sollen«, murrte Maria.
    »Das macht doch Spaß, mal was anderes zu sehen, ich dachte, du wolltest da weg, um dich richtig dienstfrei zu fühlen.«
    Krister lachte aufmunternd und streichelte Linda über die Wangen. »Wenn wir da sind, bauen wir Kaninchenlöcher im Sand.«
    Die Kartenskizze war schwer zu deuten, und vom Weg durch den Wald, der manchmal nur aus einer Fahrspur im Gras oder über niedrigem Gestrüpp bestand, zweigten andere schmale Schneisen oder Pfade in unbekannte Richtungen ab. An einer Stelle bogen sie an einem Bach zu früh ab und mussten ein ganzes Stück rückwärts zum Hauptweg zurückfahren. Auf dieser Strecke konnte man sich Verkehr in beiden Richtungen nicht vorstellen. Linda übergab sich wieder auf dem Rücksitz. Schließlich öffnete sich der Wald zu einer Lichtung mit einer Wiese, die bis unten ans Wasser reichte. Dort sah man endlich ein Gehöft mit dem Tor und einem abgeblätterten Schild, aus dem hervorging, dass dies einmal Gideons Gärtnerei gewesen war.
    »Sieh mal, Papa, da ist ein Hügel unten auf der Wiese, beinah so was wie eine Höhle.«
    »Das ist ein Bunker.«
    »Was ist ein Bunker?«
    »Die Soldaten hatten so was, um darin während des Krieges geschützt zu sein. Da konnten sie durch die Schlitze hinausgucken und schießen, ohne selbst getroffen zu werden.«
    »Wie fies. Ich will da raufklettern.« Emil lief so schnell ihn seine kleinen kurzen Beine trugen, und Linda trappelte hinterher. Sie blieben einen Augenblick auf der steinernen Brücke stehen und blickten fasziniert hinunter in das schwarze Wasser, das darunter durch zum Meer floss. Emil warf einen Stock hinein. Der Wind war warm und voller Düfte; Gagelstrauch und Minze, Wiesenblumen und salziger Tang. Mild streichelte er das Gras und fuhr sanft über die Glockenblumen und Margeriten auf der Strandwiese. Die Blätter der Erlen und die Stängel des Trockengrases zitterten leicht. Das Wasser glitzerte, als wenn sich darunter viele Edelsteine verbargen, facettenreich und vielfarbig in der leichten Kräuselung. Weit hinten am Horizont schimmerte Kronholmen in der diesigen Luft. Die Aussichtsklippe überragte das Meer, dunkel und mächtig.
    »Ich liebe dich«, flüsterte Krister mit dem Mund in Marias Haaren.
    »Ich liebe dich auch«, antwortete sie und ließ ihre Hand die Konturen seines Körpers entlang unter dem Hemd den Rücken hinunter- und über den Hintern gleiten. Er beugte sich vor und küsste sie. Er küsste ihren Hals und die Ohrläppchen. Hinter einem Wacholderstrauch glitten sie in der blinden Leidenschaft wilder Küsse zu Boden. Sie spürten nicht die gelbe Härte des Grases oder die stechenden Tannennadeln vom letzten Jahr. Krister schob ihren Rock über die Hüften, streichelte die braunen Schenkel. Einen kurzen Augenblick kämpfte er mit sich, ehe die Lust die Vernunft völlig

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