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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Erika Lunds Skizze mit dem Finger entlang. »Ja, dies hier soll wohl der Strand sein.« Emil rannte vorweg, und Krister hob Linda über die morsche Treppe, damit sie nicht durch die Stufen fiel. Maria hakte die Tür wieder sorgfältig zu, nachdem sie das Haus verlassen hatten. Wie peinlich hätte es werden können, wenn sie dem Eigentümer des Hauses in der Küche Auge in Auge gegenübergestanden hätten. Zweifellos wäre Krister schnell ein passender Satz eingefallen, aber ärgerlich hätte es trotzdem werden können.
    Krister rannte wie ein Elch über die Strandwiese und erreichte den Sand vor den Kindern. Er warf sich über den Picknickkorb und grub dann wie ein halb verhungerter Hund in den Kaninchengängen.
    »Hier irgendwo muss es gewesen sein. Fühlt mal hier, Emil und Linda, wenn ihr die Hand von der anderen Seite hineinsteckt.«
    »Ich habe etwas«, strahlte Emil und zog eine Packung mit Keksen aus der Erde.
    »Ich auch«, rief Linda und zog hell auflachend einen von Kristers Strümpfen aus ihrem Loch.
    »Das ist doch kein Schatz«, rief Emil entrüstet.
    »Auf dem Paket steht ›Goldmarie‹, vielleicht war es solches Gold, das er auf den sieben Meeren geraubt hat, und da hat er noch Glück gehabt, denn Kekse kann man essen. Gold lässt sich nicht so gut kauen. Ich will euch von einem König erzählen, der Midas hieß. Der wünschte sich einmal die Gabe, dass alles, was er berührte, zu Gold wurde. Und wisst ihr, was passierte?«
    »Er wurde reich!«, antwortete Emil.
    »Nein. Er bat darum, seine Gabe zurückgeben zu dürfen. Er wollte sie nicht mehr haben. Wenn er sein Brot nahm, wurde es steinhart, und er konnte es nicht mehr essen. ALLES , was er anfasste, wurde zu Gold. Er wäre fast verhungert.«
    »Wann wird der weiße Mann lernen, dass man Gold nicht essen kann?«, zitierte Maria.
    Linda grub ihre Zehen in den Sand ein und spielte, dass sie wie Pilze wieder hochkamen. Krister döste in der Sonne, und Maria bedauerte, dass sie ihre Aquarellfarben nicht mitgenommen hatte. Das warme Licht lag über den prächtigen Farben der Strandwiese und gab ihnen eine neue Fülle und Leuchtkraft. Das Meer schimmerte türkis vor dem gelbweißen Sand. Maria wandte sich zu dem mildgrünen Fichtenwald um und entdeckte die schmale tiefe Bucht dort, wo der Bach ins Meer floss. Gut versteckt im Schilf befand sich ein Anleger. In das Bachbett konnte man sicher mit einem Boot hineinkommen, jedenfalls mit einer kleinen Jolle. Maria fiel Odd Molin ein, aber sie schob den Gedanken von sich. Heute hatte sie frei.
    »Wollen wir jetzt nach Hause fahren?«, fragte Krister.
    »Erst müssen wir den Gauner rauslassen«, entgegnete Emil ernst und zog seine Mutter am Ärmel.
    »Nein, es ist am sichersten, wenn er heute Nacht da drinnen bleibt. Morgen kann der Gefängniswärter ihn dann entlassen. Komm jetzt, E-Mail«, lachte der Computerfreak Krister und zauste seinem Sohn die Haare.
    »Ich sage es ihm, damit er Bescheid weiß!« Emil galoppierte über das Gras.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Maria, als sie sich an der Steinbrücke trafen.
    »Er liegt nur da und schläft. Er hört ja nichts«, antwortete Emil.

32
    Hartman sah müde und grau aus, als er von der Staatsanwaltschaft zurückkam. Ohne Gruß ging er in sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Maria ging nachdenklich an ihren Schreibtisch und erledigte einige Telefonate. Die ganze Zeit über hatte sie das Gefühl, als ob die Dinge nicht zum Besten standen. Mit Hartman stimmte etwas nicht. Aber er hatte die Tür zugemacht, und das musste man respektieren. Maria setzte sich mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung, um die Genehmigung für eine Hausdurchsuchung bei Odd Molin zu bekommen. Arvidsson zufolge war Odd nicht zu seiner Besprechung um 14.00 Uhr in Stockholm erschienen. Zuletzt hatte ihn am Abend vorher ausgerechnet Mayonnaise gesehen. Nachdem Odd von Krister mehr oder weniger hinausgeworfen worden war, als er versucht hatte, Familie Werns Haus in Kronviken zu schätzen, war Mayonnaise ihm ein Stück gefolgt, um sich zu vergewissern, dass er nicht zu Jonna hineinging und ihr Flausen in den Kopf setzte. Dafür war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Sehnsüchtig hatte Mayonnaise durchs Fenster hineingesehen. Da saßen Jonna und Biffen vor dem Fernseher und aßen Hamburger. Jonnas Schwester war auch da, die eidechsengleiche Krähe. Würde die Schwester übernachten und den Konflikt anheizen, dann wusste Mayonnaise sicher, dass er die ganze Nacht über draußen

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