Totenwache
schuldig ist.«
»Was meinst du damit, verdammt nochmal? Sicher ist sie schuldig. Ich habe der Presse gerade mitgeteilt, dass wir eine Verdächtige festgenommen haben.«
»Ich bin nicht überzeugt. Die Frau scheint den Ernst der Situation selbst nicht begriffen zu haben. Sie weinte erleichtert, als sie erfuhr, dass wir sie über Nacht hier behalten wollen. Sie freute sich darüber, mal schlafen zu können, ohne dass ihr Vater auf sein und sie bewachen muss.«
»Was für ein Schwachsinn! Die Dame vergießt ein paar Tränchen, und Hartman, der Gentleman, geht ihr sofort auf den Leim.«
»Wir werden sehen«, sagte Hartman ruhig und bestimmt.
»Ich glaube auch nicht, dass sie schuldig ist«, ergänzte Maria. »Jedenfalls nicht an dem Mord an Jacob Enman. Möglicherweise hat sie ihren Mann umgebracht, aber der Mord mit der Axt ist nicht ihre Sache.«
»Was denn, glaubst du, dass sie unschuldig ist? Hier halten wir uns an die Fakten. Alles deutet doch darauf hin, dass sie schuldig ist. Sie hatte die Gelegenheit, beide ums Leben zu bringen, Jacob Enman und Mårten Norman. Sicher fällt die Leiche ihres Mannes an einem der nächsten Tage aus einem Kleiderschrank. Ich will dir nur sagen, es ist eine große Erleichterung, wenn ich der Presse mitteilen kann, dass wir eine Mordverdächtige festgenommen haben. Die Frage ist nur, ob sie es allein getan oder ob der Alte ihr dabei geholfen hat.«
»Eine alte Dame in einem roten Renault hat sie mitgenommen. Wenn wir diese Zeugin finden, ändert sich die Sachlage erheblich.«
»Sofern es die Dame überhaupt gibt. Erlaubt mir, das zu bezweifeln! Sie war offenbar namenlos.« Ragnarsson suchte in seinen Taschen aufgeregt nach seinem Feuerzeug, bevor ihm einfiel, dass er im Haus nicht mehr rauchen durfte.
Er setzte sich mit einem süßsauren Lächeln, das die langen nackten Zahnhälse entblößte und Maria gehässigerweise wieder an Wühlmäuse und das Wühlmausfieber denken ließ.
»Sag der Presse bloß nicht zu viel. Nachher wird es nur peinlich für dich, wenn du darauf zurückkommen und dementieren musst. Das führt zu nachlassendem Vertrauen in die Arbeit der Polizei.« Hartmans Gesicht war wie in Zement gegossen. Erika, die merkte, dass die Positionen festgefahren waren, versuchte in der Sache weiterzukommen.
»Hat Rosmarie Haag ein Alibi für die letzte Nacht, für die Zeit der Explosion?«
»Sie hat ausgesagt, dass sie gegen zwei Uhr auf war und den Knall vom Kronviken her gehört hat. Der Vater schlief. Hätte sie etwas zu verbergen gehabt, dann hätte sie ja behaupten können, dass sie beide am Küchentisch saßen. Dann finde ich es merkwürdig, wenn jemand eine Mordwaffe in einer Plastiktüte verpackt, ehe er sie eingräbt. Das sieht doch so aus, als ob jemand um jeden Preis sichergehen will, dass die Fingerabdrücke und die Blutspur erhalten bleiben.«
Hartman zog sich seine Jackett an und ging in der kühlen Abendluft nach Hause. Der Duft des Sommerregens hing noch zwischen den Bäumen. Aber der Himmel hatte sich aufgeklärt. Der Mond rollte rund und gelb über die Hausdächer, so als ob er nur spielte und den Ernst der Stunde überhaupt nicht begriff. Fröhlich versteckte er sich hinter dem Turm von Sankt Marien und folgte Hartmans Schritten, als dieser auf den Platz davor einbog.
Hartman dachte an Rosmarie Haag. Sie schien die Möglichkeit, sich zu verteidigen, noch nicht begriffen zu haben, und ihr fehlte offenbar auch der Wille dazu. Sein ganzes Gespür sprach dafür, dass sie unschuldig war, während sich andererseits die Beweise für ihre Schuld auf seinem Schreibtisch häuften. Wenn nun Clarence Haag doch noch am Leben war? Zwar hatte Rosmarie allen Grund, sich ihres Peinigers zu entledigen, aber das dann auch in die Tat umzusetzen war nicht das Gleiche. Vielleicht hatte Clarence das Ganze arrangiert oder Odd Molin. Wer wusste denn, ob Odd eine alte Rechnung mit seinem Partner offen hatte, oder umgekehrt. Insbesondere wenn Odd ein Auge auf die Ehefrau von Clarence geworfen hatte. Das war ein klassisches Muster. Oder war es Konrad? Konnte nicht ein Vater zu allem fähig sein, wenn seiner Tochter ein Leid angetan wurde? Was hätte er selbst wohl getan, wenn seine Tochter misshandelt worden wäre? Sich auf die Polizei und die Gerichte verlassen oder das Recht in seine eigenen Hände genommen? Hartman schüttelte sich bei dem Gedanken. Er wollte sich die Antwort lieber nicht zu sehr ausmalen.
Hungrig und sehr müde öffnete Hartman die Tür seines Heims,
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