Totenwache
besiegt hatte. Murmelnd bat er sein besseres Ich um Vergebung. Maria lächelte erregt, presste sich an ihn und knöpfte seine Hose auf. Keiner von ihnen dachte an die möglichen Konsequenzen. Danach küsste Krister ihre Stirn und die Augen.
»War das so klug, das hier?«
»So was weiß man immer erst hinterher, auch sichere Perioden sind eine Lotterie. Glücklicherweise gewinnt man nicht jedes Mal, aber wissen kann man es nie.«
»Das werden Zwillinge«, sagte er mit gespieltem Ernst.
Eng umschlungen gingen sie hinunter zum Strand. Emil stand ganz oben auf dem Bunker, stolz und fröhlich, als ob es der Mount Everest wäre, den er bestiegen hatte.
»Diesen Bunker kann man als Gefängnis benutzen. Du kannst ihn haben und darin deine Verbrecher einsperren, Mama.«
»Wie gut«, lachte Maria.
»Obwohl man gar nicht rein kann, denn es ist ein Schloss an der Tür.«
»Nur der Gefängniswärter hat einen Schlüssel.«
»Ja, und er hat schon einen Gauner eingesperrt«, rief Emil und guckte zwischen den Brettern hinein.
Sie gingen an den Strand und badeten. Krister und Linda gruben Kaninchenlöcher in den Sand, lange Gänge, in denen sich die Hände begegneten. Linda lachte glucksend, so wie nur ein Kind lachen kann, ehe das Leben Ansprüche stellt und kompliziert wird.
»Biffen kann die Hände vom Lenker nehmen, wenn er Rad fährt, und sein Papa hat ein Gewehr, das ist furchtbar gefährlich.«
»Wieso ist das so spannend, wenn man den Lenker loslässt? Davon hat man doch nichts, wenn man es kann«, tröstete Maria, als sie einen Anflug von Minderwertigkeit in der Stimme ihres Sohnes hörte.
»Und Papa, weißt du was? Biffen hat was gesagt, das ist was ganz ganz Schlimmes!«
»Was denn?«, fragte Krister neugierig. Das wundert mich überhaupt nicht, dachte Maria.
»Sag, dass das nicht stimmt, Papa. Du musst sagen, dass das nicht stimmt!«
»Was denn?«
»Wie Babys gemacht werden. Das ist ganz, ganz ekelhaft!«
»Maria, hilf mir!«
»Nein, du. Das kannst du auch allein erledigen. Ich will jetzt baden.« Linda, die die in der Luft liegende Spannung unwillkürlich spürte, begann zu lachen, aus vollem Hals zu lachen. Sie lachte so, dass ihre Beine versagten und sie im Sand auf dem Rücken liegen blieb wie ein strampelnder Käfer und nur noch kicherte. Je verlegener Krister und Emil aussahen, desto alberner lachte sie.
»Sag, dass das nicht stimmt, Papa! So kann man das doch nicht machen? So habt ihr das doch nicht gemacht, oder?«
Emils Augen waren voller Misstrauen und Anklage.
Maria trat in die lang gestreckte Bucht und musste in dem flachen Wasser ein Stück gehen, bevor sie schwimmen konnte. Weiter draußen war das Wasser kühler. Ihr Haar folgte ihr ruckweise bei jedem Schwimmzug. Ich frag mich, wie das ist, wenn man ertrinkt? Wie lange dauert es, bis man das Bewusstsein verliert? Als Maria die Augen schloss und auf den Grund tauchte, sah sie Rosmarie Haags bleiches Gesicht mit den großen sorgenvollen Augen vor sich. Ein paar kräftige Schwimmzüge, und dann öffnete sie sie wieder. Eine kleine Sandflunder suchte Schutz im Seegras. Stell dir vor, man bereut es, wenn es bereits zu spät ist. Wenn man nicht länger die Kraft hat zu kämpfen. Wenn einem der Sinn des Ganzen genau da an der Grenze des Todes bewusst wird. Maria schwamm an die Oberfläche und holte Luft. Instinktiv spürte sie, dass Rosmarie Haag unschuldig war. Aber was gab Ragnarsson auf primitive Fähigkeiten wie Instinkte, nicht ein Jota. Instinkt war etwas für niedere Wesen, die keinen Verstand hatten, meinte er. Maria fand das ebenso intelligent, wie wenn man auf sein Gehör verzichtet, weil man ja das Augenlicht hat. Sie mussten Clarence Haag finden. Tot oder lebendig. Irgendwo musste er ja sein. Und mit ihm beantworteten sich sicher viele Fragen. Bibbernd stieg Maria aus dem Wasser und ging bei leichtem Gegenwind den Strand hinauf, um sich in ihren Bademantel zu wickeln.
»Mein Papa hat einen Sack mit Samen, Babysamen«, teilte Emil ihr mit, während er auf den runden Steinen an der Strandkante balancierte.
»Ich darf gratulieren«, sagte Maria und verbeugte sich höflich vor ihrem Mann, der lang ausgestreckt wie ein gestrandeter Seehund auf seinem Bademantel lag, mit einem sehr eigenartigen Ausdruck auf dem Gesicht. »Kommt, wir sehen mal nach, ob es Erdbeeren gibt. Erika sagte, dass sie da oben im Gras bei dem Haus Erdbeeren gefunden haben.« Maria ließ ihr langes pitschnasses Haar über Kristers Rücken gleiten, und der
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