Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
Vom Netzwerk:
erklären würde, warum er seinen Auftrag nicht wie vereinbart zu Ende geführt hat. Er sagte mir, er glaube, man habe ihn hereingelegt.»
    Martin machte ein nachdenkliches Gesicht. Das Weinglas setzte er mit zusammengekniffenen Augen an die Lippen. «Ich kenne jemanden, der sich vor einem halben Jahr wegen einer kurzfristigen Investition an Goldmann gewandt hat. Es ist allerdings zu keinem Geschäftsabschluss gekommen, weil demjenigen der erhobene Risikozins und die eingeforderte Geschäftsbeteiligung als unangemessen erschienen. Ich sehe die betreffende Person bei einer Veranstaltung am Wochenende. Wenn du mich begleiten willst?»
    «Um was für eine Veranstaltung handelt es sich denn?»
    «Ein Schaufliegen auf dem Fluggelände in Groß Borstel. Es starten Adolf Behrend auf Eindecker Schulze-Herford und Diplomingenieur Thelen auf einem Doppeldecker der Gebrüder Wright.»
    «Und du kennst einen von beiden?»
    Martin rollte mit den Augen. «Du kennst mich zu gut.»
    «Der Ein- oder der Doppeldecker?», fragte Sören lächelnd.
    «Vögel benötigen zum Fliegen auch nur ein Paar Flügel.» Martin grinste.
    «Überflüssig zu fragen, seit wann und warum du dich für Fluggeräte interessierst.»
    «Sagen wir mal so: Ich habe mich kurzfristig dazu durchgerungen, eine Risikoinvestition zu tätigen, und habe ein Flugzeug finanziert. Wie du dir vorstellen kannst, ohne Risikozins.»
    «Aber dafür mit einer Geschäftsbeteiligung, wie ich annehme.»
    «Nenne es eine stille Teilhaberschaft. Ich erwarte keinen Wertzuwachs in Form monetärer Ausschüttungen.»
    «Und wenn das Flugzeug abstürzen sollte?»
    «Dann täte es mir in diesem Fall um den Flugpionier leid, weniger um die Maschine.»
    «Allein bei der Vorstellung wird mir schwindelig», sagte Sören, ohne weiter auf die von Martin angedeutete Hintergründigkeit einzugehen. Weshalb sein Freund jemandem ein Fluggerät gekauft hatte, lag klar auf der Hand. «Ich bin ja noch nicht einmal mit einem Ballon geflogen, auch wenn ich es mir für dieses Jahr fest vorgenommen habe. Einmal muss man ja anfangen.»
    «Ich für meinen Teil greife zur Fortbewegung lieber aufs Automobil zurück. Das ist mir bequemer. Wenn nur diese Geschwindigkeitsbegrenzung in den Städten nicht wäre. Es ist an der Zeit, dass diese lächerliche Begrenzung auf 15 Kilometer in der Stunde endlich aufgehoben wird. Zumindest auf den größeren Straßen. In Berlin sollen demnächst Fahrten mit bis zu 25 Kilometer pro Stunde erlaubt werden, aber hier sträubt man sich. Und weißt du auch, warum? Die Gelder, die bei Übertretung kassiert werden, sind ein willkommener Zugewinn fürs Stadtsäckel. Allein auf der Straße nach Bergedorf wurden im letzten Jahr mehr als neuntausend Mark Strafgelder eingenommen.»
    «Also doch fliegen?» Sören lachte. Auf dem Motorfahrrad hatte man ihn bislang noch nicht angehalten. Dann erzählte er Martin, es bestehe durchaus die Möglichkeit, dass er eine Aeronautin zur Schwiegertochter bekomme.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 4
    W as blieb, war das schlechte Gewissen. Die Polizei suchte nach wie vor einen Raubmörder. Die Idee, Raub und Mord könnten nichts miteinander zu tun haben, hielt man für abwegig. Dazu hätte man die Hintergründe für den Raub kennen müssen. Den Schuldscheinen maß die Polizei daher auch keine besondere Bedeutung zu. Folglich ermittelte man in die falsche Richtung, und daran trug Sören eine Mitschuld. Aber nun war es zu spät für eine Korrektur der Aussage. Andresen hätte es sofort durchschaut, und dieses Risiko einzugehen war vollkommen unnötig. Es blieb Sören nichts anderes übrig – er musste selbst aktiv werden. Es sollte nicht allzu schwer sein, die Personen auf den Schuldverschreibungen ausfindig zu machen. Doch zuerst galt es, Informationen zu diesem Künkel zu bekommen. Das war der einzige Trumpf, den Sören noch im Ärmel hatte. Wenn es ein Auftrag aus dem Milieu gewesen war, dann wusste er, wo er Informationen erhalten konnte.
    Sören wählte die Strecke entlang des Nieder-Hafens. Vom Rödingsmarkt nahm er die «14», musste aber am Baumwall aussteigen, da die Weiterfahrt aufgrund eines großen Krans, der die Schienen blockierte, nicht möglich war. Einen Moment lang beobachtete er die Bauarbeiter, die mit Hilfe des Krans ein weiteres Segment des großen Viadukts für die Ringbahn aufrichteten, dann ging er in Richtung Johannisbollwerk. Nach wenigen Metern waren bereits die Nieterkolonnen aktiv und verbanden die unzähligen Rippen

Weitere Kostenlose Bücher