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Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Kohle. Aber dafür sagst du mir, wie ich Adolf Künkel finde!»
    Für einen Moment wirkte der Mann überrascht und legte seine Stirn in Falten. Dann schien er begriffen zu haben. «Was willst du von Künkel?», fragte er. Sein Gebaren hatte sich schlagartig verändert. Der zwielichtige Geschäftsmann blieb er dennoch.
    «Er hat einem Freund von mir ’nen guten Tipp gegeben, und dafür möchte ich ihm ein kleines Dankeschön ausrichten.» Ein Kreischen und Johlen drang zu ihnen herüber. Die beiden Matrosen hatten es geschafft, der Tänzerin auf dem Tresen ein Wäschestück zu entreißen, und präsentierten es lustvoll dem Publikum. Am meisten schien sich das Mädchen zu freuen, jedenfalls deutete sie an, ihr Leibchen zu öffnen, um die Männer noch mehr anzustacheln. Viel hatte sie darunter nicht zu verbergen.
    «Der Adolf ist immer für ’nen Tipp gut», sagte der Mann. «Natürlich wird er sich freuen … Für gewöhnlich wirft er um diese Zeit schon mal ’nen Blick hier in den Laden. Ich geh mal Ausschau halten.»
    Als der Kerl sich auf den Weg gemacht hatte, suchten Sörens Augen nach der Frau am Tresen, die Olga heißen sollte. Von ihr war weit und breit nichts mehr zu sehen. Wenige Minuten nur, und sie schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Er konnte sie im Gedränge der Spelunke nirgends entdecken. Das Publikum feuerte indessen lautstark die beiden Matrosen an, das Mädchen auf dem Tresen weiter zu entkleiden. Selbst die dralle Rothaarige hatte sich dem Spektakel zugewandt und gab dem Mädchen zu verstehen, nur weiterzumachen. Ihr eigenes Hemd war durch das Gefummel ihres Mackers inzwischen so weit verrutscht, dass sie Mühe hatte, ihre Blöße zu verdecken. Aber das interessierte in diesem Moment niemanden. Alle starrten wie gebannt auf die lachende junge Frau. Sören fragte sich, wie weit sie gehen würde. Wie es aussah, war sie zu allem bereit. Gerade als die Spitzen ihrer kleinen Brüste über den Saum des Leibchens ragten, klopfte ihm jemand von hinten auf die Schulter.
    «Künkel», flüsterte ihm der Mann, der ihn eigentlich mit Olga hatte verkuppeln wollen, ins Ohr. «Er wartet draußen.»
    Sören riss sich von der drittklassigen Vorstellung im Silbersack los und folgte dem Mann. Auf dem Weg nach draußen kämpften sie gegen eine grölende Menschenmasse an, die ihnen entgegendrängte. «Er erwartet Sie an der Ecke Friedrich Straße», fügte er hinzu, als sie endlich das Freie erreicht hatten. Bis dort waren es nur wenige Meter.
    Sören merkte die Falle erst, als sich der angebliche Künkel ihm zuwandte und ihm mit einem blitzschnellen Fausthieb in den Magen den Atem nahm. Während er den Tritt in den Unterleib spürte, ärgerte er sich noch, dass er auf eine solche Nummer hereingefallen war. Dann traf ihn der erste Schlag ins Gesicht. Es war zu dunkel, um sein Gegenüber zu erkennen, und der Schutz seiner Arme kam zu spät. Das Letzte, was Sören mitbekam, war ein kurzer linker Haken gegen sein Kinn und danach die ausgestreckte Gerade frontal ins Gesicht. Den darauffolgenden Schlag spürte er schon nicht mehr.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 5
    D ie Zahnschmerzen waren verschwunden, dafür dröhnte nun sein ganzer Kopf. Langsam erinnerte sich Sören: Silbersack … Künkel … Man hatte ihn hereingelegt. Unscharf konnte er erkennen, wie sich ein bärtiger Mann in einem weißen Kittel über ihn beugte. «Können Sie mich hören, Dr. Bischop?»
    Sören bewegte den Kopf und versuchte zu sprechen. Dem gequälten Ja folgte ein dumpfer Schmerz im Kiefer. Vorsichtig betastete er die Stelle. Kein Wunder, dass der Zahnschmerz weg war. Man hatte ihm zwei Zähne ausgeschlagen. Sein rechtes Auge war zugeschwollen.
    «Ich bin Polizeiarzt Molch», sagte der Mann. «Wir befinden uns in einer Ausnüchterungszelle der Davidwache. Man hat uns verständigt, nachdem man Ihre Papiere fand.»
    Hinter Doktor Molch konnte Sören vage Polizeihauptmann Heinrich Andresen erkennen. «Der Schutzmann, der Sie gefunden hat, meinte, er habe noch zwei Strolche flüchten sehen. Wahrscheinlich kam er genau im richtigen Moment. Konnten Sie Ihre Angreifer erkennen?»
    «Zu dunkel», murmelte Sören.
    «Sie haben Glück gehabt», sagte der Arzt. «Ein paar Prellungen und Blutergüsse, nicht weiter tragisch. Sie sind wirklich mit einem blauen Auge davongekommen. Können Sie aufstehen?»
    Sören schwindelte, als er sich aufrichtete. Nur keine überhasteten Bewegungen. Dann spürte er in seinen Körper hinein, offenbar hatte er

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