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Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Tohuwabohu nicht beirren. Er fragte sich nur, wie er sich hier verständigen sollte.
    Zwei grobe Kerle, den Tätowierungen auf den Armen nach zu urteilen Matrosen, versuchten einem jungen Ding, das mit gerafften Röcken auf dem Tresen hin und her hopste, an die Wäsche zu greifen. Sie mochte höchstens zwanzig sein und schien sich nicht im Geringsten daran zu stören. Ganz im Gegenteil, es wirkte, als tanze sie sich umso mehr in Ekstase, je begieriger die Hände nach ihr grapschten. Daneben saß eine füllige Rothaarige mit auffallend großem Busen, die es anscheinend amüsierte, dass der Kerl an ihrer Seite ganz offen seine Hand in ihr Dekolleté geschoben hatte. Zumindest machte sie keine Anstalten, ihn daran zu hindern. Sören schob sich an einem Tisch vorbei, an dem einige Männer wortlos einen Knobelbecher weiterreichten. Sie schienen den Tumult um sich herum überhaupt nicht zu bemerken. Am Nachbartisch saßen ein paar Jungspunde und spielten Fingerkloppen. Die zahlreichen Schnapsgläser vor ihnen zeugten von gehöriger Ausdauer.
    Als Sören sich zum Tresen durchgewühlt hatte, fiel ihm eine dunkelhaarige Frau auf, deren Erscheinung nicht zu den übrigen Gestalten passen wollte. Sie lehnte am Tresen und hatte den neuen Gast längst bemerkt. Ihre Blicke trafen sich, und er konnte nicht umhin, es ihrem Lächeln gleichzutun, auch wenn er nicht gekommen war, um Frauenbekanntschaften zu schließen. Sie hatte makellose Zähne, was sie allein schon vom Gros der anderen Frauen in diesem Etablissement unterschied. Ihre dunklen Augen bekundeten Interesse und forderten einen geradezu auf, sich ihr zuzuwenden. Sie bewegte sich wie in Trance, legte den Kopf in den Nacken und lächelte ihn geheimnisvoll an. Ohne den Blick abzuwenden, führte sie eine Zigarettenspitze mit der behandschuhten rechten Hand an den Mund, nahm einen tiefen Zug und hüllte ihr Gesicht in Rauchschwaden. Sören war wie elektrisiert. Diese Frau passte so wenig in diese Umgebung wie ein Pinguin in die Wüste; anmutig und graziös, betörend und geheimnisvoll, und das inmitten einer Schar von pöbelnden Trunkenbolden. Gerade wollte er sich ihr nähern, als sich eine Gestalt zwischen sie schob.
    Sören versuchte, den Blickkontakt nicht zu verlieren, aber der Mann hatte es auf ihn abgesehen. Seine funkelnden Augen forderten Aufmerksamkeit, auch wenn er lächelte. «Gefällt sie dir?», fragte er mit heuchlerischer Freundlichkeit. Er hatte sich zu Sören gebeugt und brauchte nicht zu schreien. «Wenn du willst, kann ich etwas arrangieren. Sie heißt Olga, und für zwanzig Pfennige zeigt sie dir ihre Muschi.»
    Er bleckte die Zähne, dann nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Humpen. «Anfassen kostet etwas mehr.»
    «Danke. Kein Interesse.»
    Sören versuchte sich abzuwenden, aber der Mann blieb hartnäckig. «Sagen wir, zwanzig mit Anfassen. Bislang hat sich noch niemand beschwert.»
    «Ich sagte doch bereits: kein Interesse!»
    «Und ich hab gesehen, dass sie dir gefällt. Und du ihr auch.» Er klebte förmlich an Sörens Ohr. «Sie mag es schmutzig», raunte er schließlich und griff sich demonstrativ in den Schritt.
    Sören schob ihn von sich. Die Nähe zu ihm war kaum auszuhalten. Eine fiese Visage, die penetrant nach Fäulnis roch. Aber was hatte er erwartet? Solche Typen waren an sich noch harmlos. Hier in dieser Pinte lungerten weit gefährlichere Gestalten. Er fragte sich nur, wie eine solche Frau an einen derart widerlichen Luden geraten sein konnte.
    «Okay, wie wär’s dann mit was ganz anderem? Ich besorg’s dir, aber sie will zugucken. Gleicher Kurs, gleiches Glück?»
    Sören merkte, wie es ihm die Kehle zuschnürte. Angewidert packte er den Kerl am Revers und machte Anstalten, ihm eine Kopfnuss zu verpassen. «Lass mich in Ruhe mit deinen Sauereien!»
    Der Kerl blickte ihn belustigt an. «Du willst mir drohen?», meinte er im Flüsterton. «Schau dich um. Wenn du mir nur ein Haar krümmst, machen sie Hackfleisch aus dir. Was kommst du her, wenn du nicht kannst? ’ne bessere Stute als Gräfin Olga findest du hier nicht. Oder was hast du erwartet?»
    Sören ließ ihn los. «Ich bin auf der Suche nach einem Kerl.»
    «Dacht’ ich mir doch», entgegnete der Mann gelassen. «Aber Olga will zuschauen. Der Preis ist der Gleiche.»
    «Nein, du Schlitzohr. Ich hab keinen Bock auf schmutzige Sachen. Hab ich mich falsch ausgedrückt, oder bist du begriffsstutzig? Mit mir ist keine Nummer zu machen. Das Einzige, was du haben kannst, ist die

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