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Totenwall

Titel: Totenwall
Autoren: Boris Meyn
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war.
    «Das ist gelogen!» Goldmann schüttelte trotzig den Kopf. Er glaubte tatsächlich an die Gräfin. Wie konnte man nur so naiv sein?
    Sören stand auf und fing an, Kreise um Goldmann zu ziehen. «Isolde Oechslin hat in Berlin übrigens ein gewisses Etablissement geführt, ein Freudenhaus, um es auf den Punkt zu bringen. Sie ist mit allen Wassern gewaschen und dürfte sich als professionelle Gewerbetreibende gut damit auskennen, wie man junge Männer um den Finger wickelt! Geht Ihnen jetzt ein Licht auf?»
    Goldmann machte die Schotten dicht. Übrig blieb nur eine hochnäsige Haltung, die kaum zu steigern war. «Das muss ich mir wohl nicht länger anhören. Sie vergessen wohl, wen Sie vor sich haben!» Aufbrausend wandte er sich in Richtung Andresen: «Ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren!»
    Andresen zuckte nur mit den Schultern. «Regierungsrat Stürken finden Sie im letzten Zimmer rechts auf dem Korridor.»
     
    «Sie lassen ihn einfach so ziehen?», fragte Sören, als Goldmann das Zimmer verlassen hatte.
    «Was haben wir gegen ihn in der Hand?», antwortete Andresen.
    «Sie sollten ihn unter Beobachtung stellen.»
    «Mein lieber Bischop», beruhigte ihn Andresen. «Glauben Sie im Ernst, Goldmann kann noch einen Schritt machen, ohne dass wir ihn beobachten? Allerdings bezweifele ich, dass er uns zu ihr führen wird. Die ist mit der Kohle längst über alle Berge.»
    «Dieses Etablissement in Berlin …»
    «Ist längst geschlossen», antwortete Andresen.
    «Ich meine etwas anderes. Haben Sie in Berlin angefragt, ob unser Künkel, Kaminsky oder wie auch immer er sich nennt, früher dort verkehrt hat? Hatten seine Geschäfte dort eventuell ihren Ausgangspunkt? Mir schwant da nämlich etwas …»
    «Die Anfrage läuft bereits. Genauso habe ich alle Unterlagen über die Oechslin angefordert. Vielleicht bekomme ich heute noch eine Rückmeldung. Übrigens: Den Bildhauer Otto Frischmuth haben wir schon überprüft. Er befindet sich seit zwei Monaten auf Ischia, er scheidet also aus. Ich werde mich jetzt erst einmal um die Mitglieder des Vereins kümmern. Es kann gar nicht sein, dass der Name des Photographen niemandem geläufig ist. Sind Sie dabei?»
    Sören schüttelte den Kopf. «Ich haue mich noch ein paar Stündchen aufs Ohr.» Dann fiel ihm ein, was er Andresen schon längst hatte mitteilen wollen. «Haben Sie heute Nacht schon etwas vor?»
    «Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?»
    «Wie käme ich dazu? Nein, ganz und gar nicht.» Er erzählte von Davids Verabredung. «Um 11 Uhr am Fuße des Bismarckdenkmals – das sollten wir uns nicht entgehen lassen. Einen Versuch ist es allemal wert. Sie sollten ein paar Ihrer Leute als Verstärkung mitbringen.»
     
    Sie trafen sich um Punkt neun vor der Englischen Kirche. Vor Aufregung hatte Sören kein Auge zugetan. Eine lauwarme Brise begleitete den sich ankündigenden Sonnenuntergang. Hauptmann Andresen hatte drei Civile dabei. Einen gedrungenen Rotschopf namens Ludwig und einen schlaksigen Kerl mit pockennarbigem Gesicht und einer Hakennase, der auf den Namen Herrmann hörte. Roland Holländer kannte Sören bereits.
    David trudelte mit einer leichten Verspätung ein. Er trug eine leinene Joppe und hatte sich einen Schieber aufgesetzt. Das Merkmal, an dem Künkel ihn erkennen sollte.
    «Sind Sie bewaffnet?», fragte Andresen, aber David schüttelte den Kopf. Er überragte die anderen um Haupteslänge. «Wir sollten uns stets in Sichtweite aufhalten, was nicht ganz einfach ist, wenn wir nicht auffallen wollen. Ich schlage vor, wir fünf bilden einen Kreis um den Sockel.»
    «Sie wissen, dass es sich hier um einen nächtlichen Marktplatz handelt?», fragte David und erntete missbilligende Blicke von den Polizisten. «Wenn die Wachtmeister ihre Runde beendet haben, treffen sich hier nur Schwuchteln und ihre Freier.»
    «Das ist uns sehr wohl bekannt», entgegnete Ludwig. «Wir passen uns eben an.» Ein süffisantes Lächeln glitt über sein pausbäckiges Gesicht. «Immer freundlich, immer liebenswert. Und stets ein Taschentuch im Rockaufschlag. Die Nummer mach ich nicht zum ersten Mal …»
    «Verhandlungen blocken wir freundlich und bestimmt ab», erklärte Andresen. «Fünf neue Gesichter werden schon genug auffallen. Und Sie», er deutete auf Sören, «halten sich im Hintergrund. Wir müssen davon ausgehen, dass unser Mann Sie kennt.»
    Sören nickte. Ihm würde schon aus Altersgründen eher die Rolle eines Suchenden zufallen. Stricher verhielten sich
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