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Totenwall

Titel: Totenwall
Autoren: Boris Meyn
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schüttelte den Kopf. «Ich hatte mehr Augen für dich.» Sie schmiegte sich an ihn. «Lass uns noch ein paar Stündchen ausruhen. Robert kommt um zwölf, und Ilka ist nach der Schule mit einer Klassenkameradin verabredet.» Ihre Hand glitt unter sein Hemd. Dann begann sie, es aufzuknöpfen. Erst bei ihm, dann bei sich.
     
    Zwei Stunden später weckte sie das Klingeln des Haustelephons. Ein hartnäckiges Klingeln. Tilda stand auf, kam aber sogleich ins Schlafzimmer zurück. Sören hatte sich demonstrativ das Kopfkissen übers Gesicht gelegt. «Für dich, Hauptmann Andresen. Es scheint wichtig zu sein.»
    «Na gut», stöhnte Sören. Mühsam richtete er sich auf, drückte Tilda einen Kuss auf die Lippen und wankte nach unten. Die Hörmuschel baumelte an der Leitung. Sören atmete einmal tief durch. «Guten Morgen. Schlafen Sie eigentlich überhaupt nicht?»
    «Ich komme ja nicht dazu», krächzte Andresen. «Es gibt Neuigkeiten.»
    «Sie haben den Photographen ausfindig gemacht?», spekulierte Sören.
    «Nein. Wir erhielten heute Morgen einen Anruf von Tommsen.»
    Sören brauchte einige Sekunden, bis er den Namen zugeordnet hatte. Seine Gedanken waren immer noch im Tiefschlaf. «Vom Bankhaus Goldmann?»
    «Richtig. Er klang besorgt. Nein, was rede ich, er war völlig durch den Wind. Gestern hat er festgestellt, dass Aaron Goldmann eine sehr hohe Summe transferiert hat.»
    «Ja, und? Er ist der Inhaber der Bank. Und deswegen klingeln Sie mich aus dem Bett?»
    «Nun hören Sie doch erst mal die ganze Geschichte.»
    Sören machte einen tiefen Atemzug. «Schießen Sie los.»
    «Tommsen hält ja so oder so keine großen Stücke auf den Junior, also zumindest was Geldangelegenheiten betrifft. Seit dem Tod seines Vaters führe er ein Leben in Saus und Braus und werfe mit Geld nur so um sich. Aber nun hat er den Bogen wohl überspannt. Goldmann hat vor drei Tagen 100000 Mark angewiesen. Ohne Betreff; an ein Konto der Hamburger Bank. Kontobevollmächtigt ist eine gewisse Isolde Oechslin aus Berlin, wohnhaft am Regentenplatz 12. Tommsen vermutet, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, und bat uns, die Sache zu prüfen, da der Name Oechslin im Kundenstamm der Goldmann-Bank nirgends auftaucht.»
    Irgendwie war es Sören, als hätte er den Namen schon einmal gehört, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wann und wo. Immer wieder dieses verdammte Namensgedächtnis.
    «Wir haben daraufhin telegraphisch in Berlin angefragt. Die Adresse ist dort nicht bekannt, dafür der Name. Isolde Oechslin hat bis Mitte letzten Jahres ein zwielichtiges Etablissement im Wedding geführt, wo sie als Patriarchin – halten Sie sich fest – unter dem Künstlernamen ‹Die Gräfin› agierte.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 14
    S ind Sie sich absolut sicher?» Sören hatte weniger als eine Stunde gebraucht, um ins Stadthaus zu kommen. Anziehen, Harley klarmachen, dann der übliche Stau. Die Zeit war trotzdem akzeptabel. Der Kaffee, den ihm Andresen auf den Tisch gestellt hatte, kam gerade richtig. Müdigkeit und Aufregung kämpften miteinander. Er merkte, wie seine Hände zitterten. Sören bediente sich von den Rundstücken, die man für die Nachtarbeiter geschmiert hatte.
    «Sie haben in Berlin keine Photographie von ihr. Alles andere würde passen. Von daher …»
    «Und warum nehmen Sie sie nicht fest?»
    Andresen runzelte die Stirn. «Leichter gesagt als getan. Das Grandhotel steht seit gestern unter Observation. Keine Spur von der Gräfin. Sie war die Nacht über nicht da.»
    «Das Geld hat sie aber natürlich abgehoben.»
    Der Polizeihauptmann nickte.
    «Was sagt Goldmann?»
    «Auch den erreichen wir nirgends. Weder in der Bank noch bei sich zu Hause.»
    «Mit seiner Gräfin untergetaucht? So blöd kann er doch eigentlich nicht sein.»
    «Ich habe ihn gleich heute Morgen ins Fahndungsbuch eintragen lassen. Es blieb mir gar nichts anderes übrig. Dr. Tommsen habe ich informiert. Er fand es auch richtig. Es klang nicht so, als wenn er dem Junior Rückendeckung geben würde, was mich verwundert. Goldmann hat ihn doch als Geschäftsführer eingesetzt. Das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden scheint jedenfalls lädiert zu sein. Tommsen meinte zu mir, wenn Aaron Goldmann so weitermachen würde, wäre das Bankhaus innerhalb kürzester Zeit zahlungsunfähig und müsste liquidiert werden, weil der Junior nicht begreifen würde, dass ein Unterschied zwischen seinem Privatvermögen und dem Stammkapital der Bank
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