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Totenwall

Titel: Totenwall
Autoren: Boris Meyn
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bestehe. Aber er kann nichts tun, da Goldmann zeichnungsbefugt ist.»
    Die Tür wurde aufgerissen, und ein junger Polizist stürmte herein. Sören verschüttete vor Schreck seinen Kaffee.
    «Chef! Wir haben ihn!», rief der Mann aufgeregt.
    «Mensch, Meier! Machen Sie anständig Meldung!», schnauzte Andresen ihn an. «Von wem sprechen Sie?»
    «Goldmann», stammelte der Polizist atemlos. «Barnabas hat sich gerade vom Grandhotel gemeldet. Sie haben ihn im Foyer abgepasst, als er sich nach der Gräfin Rischtoschtowitsch … Rischscht… na, Sie wissen schon, erkundigt hat. Sie sind mit ihm auf dem Weg hierher.»
    «Jetzt wird’s spannend», meinte Sören und stopfte sich den Rest des Mettbrötchens in den Mund.
     
    Aaron Goldmann war außer sich, als man ihn ins Commissariat brachte. Er tobte förmlich vor Wut. Andresen ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, ihn höchstpersönlich zu befragen. Im Raum waren noch zwei Wachtmeister, ein Protokollant und Sören, den Goldmann mit einem bösen Blick bedachte. Er machte einen auf Unschuldsmiene. Als er auf die Überweisung angesprochen wurde, fiel eine Klappe bei ihm. «Das Geld … ja, das Geld. Es stammt aus meinem Privatvermögen, und ich kann darüber doch wohl frei verfügen.»
    «Dr. Tommsen meint …»
    «Es interessiert mich nicht, was Tommsen meint», fiel ihm Goldmann ins Wort. Er wirkte gereizt und kampfeslustig. «Dr. Tommsen wird nicht mehr lange für mein Haus tätig sein.»
    «Ihr Bankhaus», fasste Andresen nach. «Ach ja … ich vergaß. Sie sind ja alleiniger Erbe. Bleibt nur noch, die Teilhaber auszuzahlen.»
    «Das lassen Sie mal meine Sorge sein», sagte Goldmann schnodderig. «Ich denke daran, das Bankhaus zu veräußern. Es liegen mir bereits Angebote vor. Und Tommsen habe ich wohlweislich nicht eingeweiht.»
    «Sie wollen uns also nicht sagen, warum Sie an eine Isolde Oechslin 100000 Mark überwiesen haben?»
    Goldmann drückte seinen Rücken durch. «Nennen Sie es persönliche Verpflichtungen, denen ich nachgekommen bin», meinte er geheimniskrämerisch. Es klang trotzig.
    Andresen zögerte. «Werden Sie erpresst?», fragte er direkt heraus.
    «Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen», erwiderte Goldmann. Er zwang sich ein Lächeln ab. «Wenn Sie keine Fragen mehr haben –» Er machte Anstalten, sich zu erheben.
    «Moment, Moment», bremste ihn Sören. «Es gibt schon noch ein paar Fragen. Die Gräfin Rischtschestova. Sie kommen für ihre Unterkunft in der Stadt auf?»
    «Das geht Sie überhaupt nichts an», blaffte Goldmann zornig.
    Sören blieb unbeeindruckt. «Ist Ihnen schon mal der Verdacht gekommen, dass sie keine echte Gräfin sein könnte? Und dass sie Sie ausnimmt … wie eine Küchengans?», fügte er hinzu. Er fixierte Aaron Goldmann mit väterlicher Strenge.
    «Machen Sie sich nicht lächerlich. Gräfin Rischtschestova stammt aus angesehenen Kreisen.»
    «Sie ist eine Professionelle», sagte Andresen.
    «Eine was?»
    «Eine Hu-re», ergänzte Sören.
    Goldmann sprang von seinem Stuhl auf. «Nehmen Sie das sofort zurück, oder ich fordere Satisfaction.» Er strich seine Tolle aus der Stirn. Zornesröte war ihm ins Gesicht gestiegen. Die Adern am Hals waren geschwollen. Einer der Wachtmeister wollte einschreiten, aber Andresen gebot mit einer Geste Einhalt.
    Sören lächelte und blieb ganz ruhig. «In was für einem Roman haben Sie so was denn gelesen? Sie sind mir vielleicht ein Grünschnabel.»
    «Das mit der Satisfaction habe ich überhört», erklärte Andresen. «Wie Sie sehr gut wissen sollten, sind Duelle seit langem strafbar.»
    «Dr. Bischop hat gerade eine angesehene Person diffamiert! Eine Person, die mir nahesteht. Ich fordere Sie auf, das sofort zurückzunehmen! Es ist beleidigend, ekelhaft.» Goldmann schmiss seine Tolle mit einer galanten Kopfdrehung zurück.
    «Ich denke gar nicht daran, das zurückzunehmen», sagte Sören. «Ich konfrontiere Sie nur mit den Tatsachen. Eine Gräfin Rischtschestova existiert überhaupt nicht – der bürgerliche Name der Dame, der Sie verfallen sind, lautet Isolde Oechslin. Und das Geld, das Sie ihr, aus welchem Grund auch immer, überwiesen haben, hat sie bereits an sich auszahlen lassen. In bar, versteht sich.» Sören sah, dass Goldmann blass geworden war. «Da Auszahlungen in dieser Größenordnung nicht alltäglich sind, erinnerte sich der Cassierer des Bankhauses natürlich an die Person.» Ein wenig lügen durfte man. Sören war sich sicher, dass es so gewesen
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