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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Wahrscheinlich dachte Michael, dass Frauen so etwas hin und wieder machen lassen müssen, wenn er denn überhaupt dachte. Gott behüte Michael, hoffentlich ging es ihm gut.
     
    Was sollte ich noch sagen über diese Nacht? Natürlich nur zu mir selbst, denn nicht im Traum konnte ich daran denken, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Sich etwas vorzustellen war tatsächlich beinahe so gut wie es tatsächlich zu erleben, es tatsächlich zu tun. Ich stellte mir viel vor, und diese Vorstellungen taten mir gut. Ich schloss die Türen zur Normalität ganz leise, denn ich wollte nicht, dass die Menschen dachten, ich hätte eine Macke – so etwas geht verdammt schnell, und manchmal braucht es dafür erschreckend wenig. Ich wollte einfach normal sein, am liebsten unsichtbar. Ich
wusste
, dass ich meine Arbeit nicht machen könnte, wenn ich ganz offensichtlich eine Macke hätte, und ich wusste, dass ich mir das hier selbst ausgesucht habe, weil es mich glücklich machte. Ich mochte es einfach, mir Sachen vorzustellen. So fügten sich die Puzzleteile des Lebens am besten zusammen.
     
    Ich zählte die Tage und rechnete mir den Termin der nicht stattfindenden Niederkunft aus. An diesem Tag fuhr ich in ein Ferienhaus in Odsherred, das ich von einem Kollegen gemietet hatte, und schrie mich in dieser schönen Aprilnacht durch eine ganze, nicht enden wollende Stunde, in der ich mir alle Details einer Geburt vorstellte: wie ich am Sommerhaus ankam, gebeugt vom Auto zur Tür lief, in den Händen die Einkaufstaschen aus dem nächsten Supermarkt, als die erste Wehe mich wie ein Schock traf. Mit zitternden Fingern machte ich Feuer im Kamin und wartete auf die nächste.
    Später, als ich im Innern des kleinen, eiskalten Hauses saß, erzählte ich der Hebamme, die ich mir als ältere, graue, rundliche Frau vorstellte, dass die Fruchtblase geplatzt und das Wasser an meinen Schenkeln nach unten geschossen sei. Nicht langsam sickernd wie das Sperma des hübschen Mannes, sondern wild wie ein Fluss. Sie untersuchte mich und sagte, mein Muttermund habe sich noch gar nicht geöffnet, aber das käme sicher noch. Es dauerte eine Stunde, bis er zehn Zentimeter weit war, verdammt schnell und verdammt schmerzhaft. Ich hatte mich vorher schlau gemacht, gelesen und mit frisch gebackenen Müttern gesprochen, die ja immer gerne erzählten, und da ich gerne zuhörte, war ich schnell beliebt und gewann so manche neue Freundin. Die brauchte ich damals auch, später kündigte ich diese Kontakte dann aber für immer auf.
    Ich hatte keine Ahnung von Kindern. Überhaupt keine.
    Es war erlösend zu schreien, wohlwissend, dass niemand mich hören konnte, niemand eine Augenbraue hochzog oder sich seinen Teil dachte. Ich hatte
Sweet Child O’Mine
eingelegt, auf Repeat gestellt und die Lautstärke voll aufgedreht, damit mich nicht einmal die Igel und Füchse im verwilderten Garten hören konnten, als mein Becken sich weitete und vorrückte wie ein kalbender Eisberg. Stück für Stück und immer weiter, bis ich Emilie irgendwann aus mir herauspressen und ihren blutigen kleinen Körper an mich drücken konnte.
     
    Ich saß da, ein Scheit Brennholz in ein Tuch gewickelt, und fühlte mich dank meiner Fähigkeit, mir Dinge vorzustellen, unendlich befreit.
    Eine alte Kommilitonin aus dem Medizinstudium, mit der ich während der ersten Semester eine Wohnung geteilt hatte, war gerade niedergekommen, und ich fragte sie, ob ich mit in ihre Müttergruppe kommen dürfe. »Das wäre total nett«, sagte sie, dunkelblond, müde und glücklich, und ich kam mit, saugte alles in mir auf und spielte mit den Antworten, die ich gegeben hätte, wenn die kleine, süße Emilie auch außerhalb meines Kopfes existiert hätte.
    Als Emilie drei Wochen alt war, ging ich zu McDonald’s, denn dort hatte ich immer Familien mit Kindern gesehen. Aber ich sah schnell ein, dass die McDonald’s-Kinder viel älter waren. Zu allem Überfluss legte sich dabei ein Big Mac irgendwie in meinem Bauch quer, nahm mir den Atem und stieß mir auch noch, nachdem ich nach Hause gekommen war und mir die Zähne geputzt hatte, immer wieder sauer auf. Aber es war toll, Emilie bei
Sweet Child O’Mine
im Walkman zu stillen und dabei an den zu denken, den ich nur im Dunkel dieser einen Nacht gesehen hatte. Den, dessen Stimme ich nie gehört hatte, der aber einen großen Entschluss für mich gefasst und mir den Weg gewiesen hatte.
    In den nächsten Jahren schob ich einen imaginären Kinderwagen hin und her.
    Als

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