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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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tot war:
With you I’ve found the key to open any door
, sang David Coverdale in meine beiden Ohren.
    Dann streichelte er mir über die Wangen, stand auf, zog seine Hose hoch und machte sie zu. Sein Mund mimte ein kurzes Wort, das ich weder hören noch von seinen Lippen ablesen konnte. Dann ging er.
    Ich lag noch eine Weile da, mit hochgeschobenem Rock und zerrissenem Slip, die Fetzen auf den Knöcheln, und sah durch die dünnen Zweige der Büsche zum Mond hinauf. Ich fühlte mich satt und glücklich, während sein Samen langsam aus mir heraussickerte.
     
    Und dann hatte ich eine Abtreibung. Ich wollte diesen Menschen lieben und ich wollte normal sein, aber beides ging nicht. Ich würde ihn niemals wiedersehen und bei Tageslicht nicht einmal erkennen, denn die Stadt war voller hübscher Männer mit halblangen schwarzen Haaren, Jeans und Lederjacke. Also entschloss ich mich dazu, normal zu sein, und normale Menschen bekommen keine Kinder von ihren Vergewaltigern, außer vielleicht, sie wohnten irgendwo in Texas, wo jedes Leben heilig ist. Für mich war das aber nicht so, für mich war das Leben etwas, das kommt und geht, das man wählen, abwählen oder sich in seiner Fantasie erschaffen kann.
     
    Warum aber landete ich ausgerechnet im Bispebjerg Hospital? Ich weiß es nicht, aber es war so. Dort stank es nach Pisse und alten Männern, stickig, beißend und dumpf. Ich wachte in einem Achterzimmer auf, eine Zimmergenossin war allerdings gerade entlassen worden,
viel Glück und jetzt sieh zu, dass wir dich hier nie wieder sehen
, so dass uns auch ein leeres Bett Gesellschaft leistete. Natürlich warenwir alle gleich die besten Freundinnen, und das, obwohl ich weder einen grünen Fisch auf die Arschbacke tätowiert noch Lack auf den Zehennägeln hatte, sondern mich meistens nur damit begnügte, zu lächeln und auf meine Bettdecke zu starren, wenn sich die anderen unterhielten. Aber das war vollkommen in Ordnung, schließlich hatten wir alle eine Abtreibung hinter uns. Die Trauer machte mich ganz benommen, ich wusste, dass mein Leben für immer verändert sein würde, und dennoch schien es, als gehörten wir durch die Abtreibung irgendwie zusammen und verdienten einander. Sie lachten viel, und auch ich versuchte zu lächeln, manchmal. Auch nach der Entlassung trafen wir uns noch ein paar Mal, schließlich hatten wir ja alle diese Abtreibung hinter uns. Die Mädchen veranstalteten Feste mit Fassbier und Gegrilltem, aber ich brach immer früh wieder auf, was ihnen nicht gefiel. Sie wollten wissen, ob ich mich langweilte, und das tat ich, was aber sicher nicht nur ihre Schuld war. Auch Michael begleitete mich bei diesen Anlässen, mit versteinerter Miene, aber auch das war nicht nur ihre Schuld. Ich sagte, nein, ich langweile mich nicht und schob die Schmerzen in meiner Gebärmutter vor, die ich auch wirklich hatte. Es brannte, stach und drückte in meinem Unterleib, denn ich litt unter einer Streptokokkeninfektion, was ich damals allerdings noch nicht wusste. Erst Monate später ging mir auf, dass die Infektion eigentlich nur eine logische Konsequenz war, denn wie sollte es an einem Ort, wo ein solcher Gestank herrschte, auch nur annähernd hygienisch zugehen? Als ich endlich, nach zwei Monaten mit leichtem Fieber und Brennen, Stechen und Drücken in der Gebärmutter, zum Gynäkologen ging, konstatierte er eine Gebärmutterentzündung und stopfte mich mit Penicillin voll, aber es war bereits zu spät, bereits egal. Ich stellte mir meine Eileiter wie zwei riesige aufgedunsene Bälle vor, wie blanke, im Dunkeln leuchtende Zysten, hinter denen alles tot, übelriechend und schleimig war wie die Spur einer Schnecke.
    Und dann, eines Tages, waren die Schmerzen weg.
    Fast von einem Tag auf den anderen, so kam es mir jedenfalls vor; an dem Tag, an dem ich mein Pillenarsenal entsorgen wollte und mich endgültig entschlossen hatte, mit der Müdigkeit und dem Stechen und Brennen im Unterleib zu leben, war alles auf einmal weg. Der Tag, an dem ich aufgab, war der Tag, an dem die Schmerzen verschwanden. Ich war unfruchtbar geworden.
     
    In meinem Kalender hatte ich diese Nacht mit einem Herz markiert. Genau zwischen den Tagen, wie ein Teenagergeheimnis in einem Tagebuch; nicht einmal Michael hatte ich von meiner Nacht im Park erzählt. Ich sagte ihm, ich müsse ins Krankenhaus, um eine Konisation am Gebärmutterhals machen zu lassen, und da ich so einen Eingriff zuvor schon einmal hatte vornehmen lassen, glaubte er mir.

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