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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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im Vogelsberg auf. Sie tritt seit Jahren auf ihrem Schulweg in Kuhscheiße, wie soll ich ihr da den Anblick von Wolkenkratzern verwehren? Trotzdem bin ich überrascht, dass sie nicht lieber zu Hause bleiben wollte. Auch Laurin nehme ich mit, der sich bedrohlich viele Benjamin-Blümchen-CDs unter den Arm klemmt. Er freut sich, Polizeiwagen zu fahren. Schon jetzt weiß ich, dass er wieder die Waffe im Handschuhfach sehen will und dass ich ihn erneut enttäuschen muss, weil ich damit immer noch keinen Räuber erschossen habe. Und selbstverständlich sabbert, furzt und haart noch jemand anders auf der Rückbank. Es ist Berlusconi. Und dann ist da noch Chantal. Chantal hat eine leicht monotone Stimme, die ein wenig wie Gundula Gause klingt. Sie hängt saugnapfend an der Windschutzscheibe in einem kleinen rechteckigen Kästchen und kennt immer den Weg. Na ja, fast immer. Manchmal ist sie bockig. Sie ist beleidigt, wenn man ihr nicht vertraut. Wenn man selbst in der Straßenkarte blättert. Wenn man es besser weiß. Das mag sie gar nicht. Das hat Franziska immer getan. Franziska hat Chantal nicht vertraut. Vermutlich war sie eifersüchtig. Ich glaube Chantal immer und gebe bei ihr komplett die Kontrolle ab. Selbst wenn ich drei Stunden im Kreis fahre, weiß ich, mit Chantal komme ich am Ende immer an mein Ziel. Von wem kann man das schon sagen?
    Auf der fast anderthalbstündigen Fahrt in den Frankfurter Stadtteil Bornheim schweigen wir meist. Selbst Laurin, der auf Autofahrten oft vor sich hin redet, ohne es zu merken. Ein-, zweimal versuche ich, die lastende Stille zu durchbrechen, und sage zum Beispiel, dass Autobahnbauarbeiter bestimmt ein anstrengender Beruf ist oder dass Eintracht Frankfurt 1980 den UEFA-Pokal durch ein 1:0 über Borussia Mönchengladbach gewonnen hat. Fred Schaub schoss das Siegtor. Es gab damals Hin- und Rückspiel. Beim Rückspiel saß ich als Achtjähriger mit meinem Vater in Frankfurt im Stadion. Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, als ich die endlose Treppe zum damaligen Waldstadion hinaufstieg und, oben angekommen, in das riesige Rund und auf das grüne Spielfeld blickte. Noch nie hatte ich so viele Menschen auf einem Fleck gesehen. Das war die große weite Welt. Mehr ging nicht. Mein Herz schlug schneller und machte Bum-Bum-Bum-Kun-Cha. So ähnlich muss es Reinhold Messner gegangen sein, als er erstmalig den Mount Everest bezwang. Nur dass sein Herz vermutlich nicht für einen südkoreanischen Fußballspieler schlug, sondern bestimmt nur für sich selbst. Bum-Kun-Cha, Kinder – kennt ihr den überhaupt noch? Nein? Nein.
    Laurin will die überdreht albernen Benjamin-Blümchen-Sprecher hören, und Melina hat kleine weiße Stöpsel im Ohr. Ihr süßlicher Parfümgeruch vermischt sich elegant mit dem alten Raststätte-Wetterau-Fett aus Laurins Pommestüte und findet seine komplette Entfaltung im Dialog mit den Darmlüften Berlusconis.
    Ich mit meinem Vater im Stadion. Eine Unternehmung, die ich mit ihm allein machte. Er erzählte mir damals davon, wie die Eintracht 1959 Deutscher Meister wurde, mit einem Sieg gegen Kickers Offenbach, und dass er 1960 achtzehnjährig mit einem Kumpel nach Glasgow gereist sei, um das Endspiel im Europapokal der Landesmeister gegen Real Madrid zu sehen. Die Eintracht verlor 7:3, und doch leuchteten die Augen meines Vaters. Wenn wir beim Fußball waren, da war meine Mutter mal nicht mit dabei. Sonst war sie es immer. Ob sich Laurin und Melina an diese Autofahrt mit ihrem Vater noch erinnern, wenn sie knapp vierzig sind? Schließlich ist ihre Mutter auch nicht dabei.
     
    Die Künstleragentur Shalala hat ihren Sitz in einem typischen Frankfurter Neubau. Das ganze Haus macht ein wenig auf dicke Hose. Da fällt mir mein Lieblingswitz ein, und ich erzähl ihn gleich den Kindern:
    «Spielen zwei Hochhäuser Fußball. Kommt ein drittes Hochhaus dazu und fragt: ‹Darf ich mitspielen?› – ‹Nein, du hast keine Turnhose an.›»
    Melina und Laurin blicken mich fragend bis versteinert an.
    Ich bitte dann beide, ein paar Minuten im Auto zu warten, verspreche Big Macs zur Belohnung und betrete das Gebäude der Künstleragentur.
    «Bei Ihnen hat in den letzten Tagen ein Herr Klaus Drossmann mehrmals angerufen. Ich möchte gerne wissen, was er von Ihnen wollte», sage ich, nachdem ich mich als Kriminalkommissar ausgewiesen habe und mich auch nicht von dem riesigen Bernhard-Brink-Plakat, das von der Wand grinst, habe einschüchtern lassen. Eine adrette

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