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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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wieder. Sie wollen nicht überrascht werden. Sie haben vierzig Euro Eintritt bezahlt, um genau das geboten zu bekommen, was sie erwarten und was sie kennen. Alles andere würde sie überfordern und wäre zu anstrengend. Auch heute Abend nennt man das hier Comedy. Herr Comedy würde sich im Grabe umdrehen, wenn er diesen Abend hier miterleben müsste. Der beeindruckend talentfreie Moderator, der einen ungefähr sächsischen Dialekt parodiert, plärrt immer wieder: «Seid ihr gut drauf?» Und er nennt uns alle «Regensburg»: «Regensburg – seid ihr gut drauf?»
    Dann treten hintereinander vier «Künstler» auf und erzählen ihre Witzchen. Der erste macht auf verklemmt, trägt eine zu enge Jacke und hat die Haare nach vorne gekämmt. Das reicht schon. Ovationen. Auch Laurin ist begeistert. Er ist erst fünf, er darf das. Der zweite erzählt etwas über Männer und Frauen. Über Einparken, Handtaschen, Vorspiel und Fußball. Und er fragt uns immer und immer wieder, ob wir das alles auch kennen würden, was er uns da erzählt. «Kennt ihr das?»
    «Nein», ruft Miriam irgendwann. Leider zu leise.
    Von der Agentur Shalala habe ich drei Gästekarten für die «Fett-Ablach-Comedy-Show» reserviert bekommen.
    «Wollen wir da wirklich hin?», fragte mich Miriam vor ein paar Stunden mit skeptischem Blick. Ich wollte. Der Masochist in mir trieb mich hin. Ich wollte Herr Bärt unbedingt auf der Bühne sehen. Ich dachte, es könnte vielleicht so schlimm werden, dass es schon wieder amüsant würde. Doch nun ist alles noch viel schlimmer. Miriams Gesichtszüge gleiten ins Verbitterte ab, als der Bursche auf der Bühne gegen Ende seiner Darbietung über das Einparken von Frauen referiert. Ich blicke mich zu meinen auf ihre Schenkel klopfenden Mitmenschen um und schäme mich dazuzugehören. Margaret Thatcher hatte damals recht, als sie 1989 befürchtete, dass von den Deutschen noch immer Gefahr ausgehe. Ausländer, nehmt euch in Acht. Wieder einmal stelle ich fest, dass ich kein wahrer Menschenfreund bin. Vor allem kein Freund meiner Landsleute. Es fällt mir einfach schwer, die Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind. Wie auch? Ich krieg’s ja bei mir selber nicht mal hin.
    Der dritte «Comedian» ist eine dicke Frau und lispelt. Auch das reicht, um den Saal zum Kochen zu bringen. Sie erzählt vom Geschlechtsverkehr mit ihrem Freund. Sie würde oben liegen. Das war die Schlusspointe. Laurin versteht das nicht, und das ist auch gut so. Ich beschließe, ihn an diesem Abend noch nicht aufklären zu wollen, und warte nun gemeinsam mit «Regensburg», das immer noch «gut drauf» ist, auf den hessischen Fips Asmussen.
    Herr Bärt beginnt seinen Auftritt mit der Bemerkung, dass man ja im Moment eher Schneesburg sagen müsse und nicht Regensburg.
    «So viel Schnee, wo ihr im Moment bei eusch habbe dut», erklärt er seinen komplexen Eingangsscherz. Dann höre ich nicht mehr zu, sondern hoffe nur noch, dass Herr Bärt der Mörder von Klaus Drossmann ist und bald eine lange Zeit im Gefängnis sitzen wird.
    «Lass uns fummeln, Pummel», tönt es zum Finale im viel zu lauten Halbplayback aus den Boxen.
    «Regensburg, ich will euch fummeln sehen», ruft Herr Bärt.
    «Regensburg» steht kollektiv auf, fasst sich an und grölt.
    Miriam bleibt sitzen, ich auch.
    Laurin fragt: «Papa, warum stehst du nicht auf?»
    «Weil ich kein Regensburg bin», antworte ich.
     
    Miriam hat alle Fragen ausgearbeitet, die Herr Bärt beantworten soll. Ich habe diese Arbeit komplett ihr überlassen, was mir nicht sonderlich schwerfiel. Ich bin müde, Laurin ist es noch mehr. Wir sitzen in der Hotelbar des Hotels Mercure und warten. Wir sind für 23 Uhr mit ihm verabredet. Er sollte gleich nach der Vorstellung zum Gespräch kommen. So war es vereinbart. Es ist bereits 23.45 Uhr. Wir sitzen in schwarzen Ledersesseln um einen kleinen Tisch herum. Laurin trinkt überdreht an seiner dritten Fanta, auch wenn er lieber Cola hätte. An der Bar sitzen auf Hockern schweigend dicke Herrenhintern, deren dazugehörige Köpfe entweder ihr Bier oder den Ausschnitt der Bardame betrachten. Ein Pianist spielt unbeachtet von allen «Strangers in the Night», «Killing me Softly» und «My Way». Manchmal beendet er kurz sein Spiel, bekommt dann keinen Applaus, trinkt einen Schluck Bier und spielt dann «Strangers in the Night», «Killing me Softly» und «My Way».
    Miriam lächelt. Laurin rennt nun von Tisch zu Tisch und klaut Erdnüsse aus den Schälchen. Mir ist es

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