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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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aber leider ist es oft auch die Wahrheit.
    Das alles und noch viel mehr geht mir durch den Kopf, als ich im Auto Rio Reiser hörend Richtung Schlumpfloch fahre, um Laurin abzuholen.
    Ich werde so schnell wie möglich mit meinem Vater sprechen, nehme ich mir vor. Heute allerdings nicht mehr. Ich werde Laurin zum Fußball bringen. Sie haben ein Nachholspiel gegen den Erzfeind aus Geiß-Nidda zu absolvieren. Lokalderby! Es wird sicher ein harter Kampf werden, zumindest unter uns Eltern. Beim letzten Mal hätte es beinahe eine Schlägerei gegeben. Ich freue mich jedenfalls darauf, gleich an der Seitenlinie zu stehen, ein Bier zu trinken, mit Gernot Heller über Eintracht Frankfurt zu philosophieren und mich dabei zu ärgern, dass Laurin erst viel zu spät eingewechselt wird.
     
    Stunden später im trauten Heim verbringe ich wieder die halbe Nacht mit Sandra vor dem Notebook. Ich versuche, mehr von ihrem Leben zu erfahren, doch sie hält sich weiterhin sehr bedeckt. Von mir dagegen will sie anscheinend alles wissen. Ich frage mich unentwegt, warum. Nur, weil ich vor zwanzig Jahren bei einer Abiturfeier einen kecken Auftritt hingelegt habe? Schwer zu glauben. Und ich wundere mich, wie viel ich von mir preisgebe. Wahrscheinlich hole ich das nach, was in den letzten Jahren an Austausch mit Franziska gefehlt hat. Egal, ich nehme es so, wie es ist, und es ist nicht das Verkehrteste. Ich möchte es pilcheresk ausdrücken: Sie ist die geheimnisvolle Fremde, die mir ein Anker geworden ist.
    Eben gerade schrieb ich ihr, wie sehr ich vor dem morgigen Gespräch mit meinem Vater die Hose voll hätte. Darauf erscheint auf meinem Notebook folgende Nachricht:
Wie alt bist du?
38, wieso?
Nicht 15?
???
Du bist doch ein erwachsener Mann. Du bist Hauptkommissar. Du bist kein Teeny, der mit schlechtem Gewissen zu spät von der Disco heimgekommen ist.
So fühle ich mich aber bei meinem Vater. Vor allem, wenn er über die Arbeit reden will.
    Eigentlich fühle ich mich ständig so, denke ich mir, schreibe es aber nicht
Ich geb dir mal ’nen Tipp. Triff dich auf keinen Fall morgen mit ihm in deinem Elternhaus. Trefft euch an irgendeinem neutralen Ort. Da fällt es dir bestimmt leichter, Haltung zu bewahren.
Welche Haltung?
Memme!
Sag ich doch.
Gähn.
Bin gleich wieder da.
     
    Ich gehe auf die Toilette, und während des Pinkelns merke ich, wie ich zugeben muss, dass Sandras Idee, meinem Vater morgen auf neutralem Boden zu begegnen, nicht die schlechteste ist. Nicht im Elternhaus und schon gar nicht in der Polizeidirektion. Auf dem Weg zurück zum Wohnzimmer blicke ich kurz in Laurins Kinderzimmer. Er liegt tief schlafend auf seinem Hochbett, das nun schon eine gute Woche lang trocken geblieben ist! Ich hebe seine Decke, die zu Boden gefallen ist, auf und decke ihn wieder zu, blicke auf die albernen Piratengesichter auf seinem Bettzeug und beschließe, dass es Zeit wird, ihm Eintracht-Frankfurt-Bettwäsche zu kaufen. Zumal er heute in der letzten Spielminute das entscheidende 5:4 gegen Geiß-Nidda geschossen hat. Er war der Held des Spiels und ich so stolz, dass es mir am Ende fast peinlich war. Ich bin direkt nach dem Spiel zu den Geiß-Nidda-Eltern-Fans gerannt und habe mit dem Finger auf Laurin zeigend skandiert: «Das war mein Sohn! Das war mein Sohn!»
    Ich wünsche ihm und mir, dass er später mal vor anstehenden Gesprächen mit seinem Vater anders empfinden wird als ich im Moment.
    Als ich wieder zum Notebook gehe, ist Sandra offline. Ich lege mich ins Bett und vermisse Franziska.
     
    «Du bist zu spät», begrüßt mich mein Vater. Er hat bereits im Café am Park zu Bad Salzhausen Platz genommen und einen Cappuccino mit Sprühsahne und Schokopulver vor sich stehen.
    «Wir haben uns um elf Uhr verabredet, nicht wahr, und ich finde, da kann man nicht hergehen und um 11.12 Uhr auftauchen. Ich verbuche das als Respektlosigkeit, seinen Herrn Vater warten zu lassen.»
    Ich murmle «Ja, sorry» und begrüße meinen Vater per Handschlag.
    «Sorry, sorry, sorry», wiederholt er und schüttelt seinen Kop. «Müsst ihr jungen Leute eigentlich immer als verenglischen? Du weißt, ich bin kein Freund dieser Anglizismen. Warum muss man hergehen und sorry sagen, wenn man auch Entschuldigung sagen kann? Verstehe ich nicht.»
    Ich belasse es dabei und halte nach der drallen Kellnerin Ausschau, um mir einen Kaffee zu bestellen. Das Café am Park ist eine Zeitmaschine. Setzt man seinen Fuß in seine Räume, findet man sich sofort in den Siebzigern wieder.

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