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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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da auf meine erste Frage keine Antwort erfolgte.
    «Gut», ist die knappe Antwort. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn ich etwas aus dem Leben meiner Tochter erfahren möchte, das über Mängelbriefe aus der Schule hinausgeht, dann darf ich sie auf keinen Fall danach fragen. Ich muss ausharren, bis sie bereit ist, freiwillig zu erzählen. Dann muss allerdings auch alles stehen und liegen gelassen und Gewehr bei Fuß gestanden werden. Wenn ich sie direkt frage, ist sie genervt. Wenn ich sie allerdings nicht frage, ist sie auch genervt.
    «Du interessierst dich doch einen Scheiß für mich», sagt sie dann. So habe ich mich entschieden, doch immer wieder aufs Neue zu fragen.
    Laurin redet wieder viel mehr als in der ersten Zeit nach Franziskas Weggang. Ich bin froh, dass er mich endlich wieder häufiger mit Endlosgelaber nervt. Heute erzählt er, dass er ein Nadeltattoo haben möchte. Die neue Praktikantin im Kindergarten habe eins, am Po, das müsste ich unbedingt mal angucken, denn er möchte bitte genau das gleiche haben. Ich vermittle ihm, dass ich das eher schwierig finde. Beides, sowohl meinem Sohn zu gestatten, sich irreparabel beschmieren zu lassen, als auch den nackten Popo der Praktikantin zu begutachten.
    «Dann will ich wenigstens eine Zahnspange», sagt Laurin. «Aber so ’ne feste, die nicht rausgeht, die ist auch cool.»
    «Ah ja.»
    Nachdem wir alle unsere Pizzas, Pizzen, Pizze, Pizzae oder wie auch immer gegessen haben und Melina sich ein paar Euro für das Einräumen der Geschirrspülmaschine verdient hat, drücken wir zu dritt wirr auf den Tasten des Keyboards herum. So richtig verstehen wir das Gerät nicht. Manchmal spielt es von alleine. Manchmal gar nicht. Plötzlich erzeugt man auf der linken Seite der Tastatur grauenhafte Modern-Talking-Sounds und auf der rechten nur dumpfe Basstöne. Melinas Interesse ist nahezu erloschen. Sie telefoniert wieder. Vielleicht hätte ich doch das neuere Gerät mitnehmen sollen. Dieses Keyboard hier war vermutlich auch bei Klaus Drossmann seit Jahrzehnten nicht im Einsatz. Als wir seinen Probenraum aufsuchten, stand es staubig und in Folien verpackt in der Ecke.
    Um neun schicke ich Laurin ins Bett, widme mich der Live-Übertragung eines Champions-League-Spiels und hoffe wie immer, dass Bayern München verliert. Es ist ein langweiliges Spiel. Immer wieder fallen mir die Augen zu. Dann schrecke ich hoch. Aus Melinas Zimmer höre ich eine ebenso vertraute wie unangenehme Melodie. Sie dudelt aus dem Drossmann-Keyboard. Was ist das, denke ich? Das ist doch …
    «Melina», rufe ich herüber. «Spielst du das? Das kenne ich doch.»
    «Nähh, das Schrottding spielt wieder alleine.»
    Dann erkenne ich es. Es ist die Melodie von «Lass uns fummeln, Pummel».
    Wie kommt denn bitte dieses Lied in das Keyboard?
    Ich gehe in Melinas Zimmer. Sie steht mit verschränkten Armen vor Drossmanns Keyboard, das immer noch penetrant vor sich hin klimpert.
    «Das ist da drauf gewesen. Das spielt das von alleine. Das ist doch dieser Herr-Bärt-Fuck, oder?»
    «Ja», antworte ich. Nach einer Weile habe ich herausgefunden, dass dieser Song über den «REC-Modus» eingespielt wurde. In verschiedenen Spuren. Ich kann die Bass-Spur hören, die Melodiestimme, eine Akkordbegleitung und einen Streicherteppich. Klaus Drossmann hat diesen Song in sein Keyboard eingespielt und darauf gespeichert. Das Stück ist doch viel zu neu, denke ich. Dann hat Klaus Drossmann diesen Song vermutlich in seiner Mannheimer Musikantengruppe gespielt. Auf diesem uralten Keyboard? In seinem Raum waren zwei neuere Modelle aufgebaut. Dieses Gerät schien länger nicht mehr im Einsatz gewesen zu sein. Plötzlich habe ich eine Ahnung.
    «Melina, ich muss nochmal ins Präsidium.»
    «Was geht’n jetzt ab? Biste jetzt plötzlich der Superbulle, oder was?»
    «Ja, nein … also, ich muss jetzt los.»
    Ich schlüpfe in meine Jacke und fahre zum Präsidium. Auch ich erkenne mich selbst nicht wieder. Ein Kommissar, der nachts noch ins Büro fährt, weil es ihn dort hintreibt. Meine Fresse!
     
    Im Präsidium angekommen, suche ich in den Ermittlungsakten die Telefonnummer des Mannheimer Bandleaders, mit dem Klaus Drossmann die letzten Jahre musizierte. Ich finde sie. Ich blicke auf die Uhr. Es ist kurz vor zehn. Ich rufe trotzdem bei Jürgen Tinnig an. Es meldet sich eine Frau Tinnig. Ja, ihr Mann sei zu Hause. Im Hintergrund höre ich das Fußballspiel im Fernsehen laufen.
    «Jürgen Tinnig, ja bitte?»
    Ich entschuldige mich

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