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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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Küche, sagt «Sorry», holt sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank, ersticht mich nicht mit dem Küchenmesser und verschwindet wieder. Ich blicke ihr nach. Ich bin neugierig, traue mich aber nicht, Miriam zu fragen, in welchem Verhältnis sie zu Frau Groß steht. Stattdessen sage ich:
    «Ich will mich dafür einsetzen, dass du bei uns im Team bleiben kannst. Auch wenn Markus jetzt wieder da ist. Ich finde, du bist ein Gewinn für uns.»
    Miriam lächelt. «Das ist nett von dir, aber …»
    Sie hält inne und nippt an ihrem Glas.
    «Ja? Was aber?»
    «Ich werde hier weggehen.»
    Ich spüre einen kleinen Stich.
    «Ich gehe nach Berlin», sagt sie. «Ich habe dort die Möglichkeit, eine Ausbildung zur Hauptkommissarin zu machen. In Kreuzberg. Vorgestern habe ich die Zusage bekommen. Auf diese Erfahrung will ich nicht verzichten. Im September fange ich an.»
    Mir fällt kein Blick zu dem, was sie sagt, ein.
    «Berlin … verstehe ich nicht», sage ich. «Was hat Berlin, was der Vogelsberg nicht hat?», flüchte ich mich in Sarkasmus.
    Miriam antwortet nicht. Niemand kann so gut schweigen wie sie. Ich will nicht, dass sie geht, und würde es ihr am liebsten sagen.
    «Die Zeit hier war schon o.k.», sagt sie dann und rückt näher zu mir.
    «Und so’n Typ wie dich gibt’s in ganz Berlin bestimmt auch nicht, aber irgendwie muss ich da jetzt hin.»
    Ich fühle mich schon wieder verlassen, auch wenn dieser Gedanke sehr unangemessen daherkommt. Und noch unangemessener empfinde ich die Tränen, die sich plötzlich in meinen Augenwinkeln sammeln. Miriam umarmt mich und riecht gut. Ich beginne, scheu herumzuweinen, und wundere mich, wie wenig peinlich es mir ist.
Hey, Sandra, du bist ja noch wach?
Hallo, Henning. Ja, kann nicht schlafen.
Warum?
Muss zu viel denken.
Woran?
An alles und nichts.
So genau wollte ich’s nicht wissen.
Dann tut’s mir leid.
Was ist denn los?
Ach, ich weiß nicht. Manche Sachen kann man nicht einfach locker-flockig in eine Tastatur tippen.
Klar.
Wie isses bei dir? Habt ihr den Fall abgeschlossen? Selbstmord?
Im Moment läuft das in eine andere Richtung.
Wie?
Willst du das jetzt wirklich wissen? Nicht lieber schlafen?
Nee. Erzähl!
     
    Ich überlege kurz, ob ich das Fass aufmachen will. Doch da ich eh an nichts anderes denken kann, entschließe ich mich, Sandra meine Gedanken und Ideen zu Bärt, dem Fummel-Song, dem Keyboard, der Kassette und den toten Drossmännern mitzuteilen.
    Wieder wundert es mich, warum sie sich so sehr für diesen Fall und noch mehr für mich interessiert. So schreibe ich ihr auch noch, dass Miriam Meisler die Kripo verlassen wird.
Du magst sie sehr, oder?
Ja, schon. Es kotzt mich an, dass sie geht. Sie hat etwas, was eigentlich überhaupt nicht in diesen Polizeistyle passt. Das wird mir sehr fehlen. Mit niemandem kann ich so gut lästern. Und sie hat mit Mitte 20 eine innere Ruhe und Klarheit, die ich mit 104 nicht haben werde.
     
    Es folgt wieder eine der inzwischen schon legendären «Gesprächspausen».
    Ich blicke auf die Uhr. Es ist 1.46 Uhr. Um 1.47 Uhr meldet sich Sandra wieder.
Hast du dich in sie verliebt?
     
    Nun muss ich mir eine Pause nehmen. Ich denke nach, dann schreibe ich:
    Nein. Habe ich nicht. Es ist was anderes, was ich für sie empfinde.
Es ist, was es ist.
Genau. Ist das nicht ein Gedicht von Erich Fromm?
Freud.
Freud?
Fried, mein ich natürlich. Hab mich vertippt …
Fried, richtig. Siegmund Fried hieß der …
Blödmann!
Franziska mochte Erich Fried. Mochte. Jetzt schreibe ich schon so, als wäre sie tot. Sie hat übrigens hier angerufen.
Oh. Und hast du mit ihr gesprochen?
Nein. Ich war nicht da. Aber die Kinder.
Und, hättest du gerne?
Jetzt geht das einseitige Frage-Antwort-Spiel wieder los, oder was?
Genau. Also? Hättest du gerne?
Ja. Hätte ich.
Gute Nacht.
Gute Nacht.
     
    Ich bin müde. Doch an Schlaf ist nicht zu denken.
    Ich lege eine DVD mit der französischen Pianistin Hélène Grimaud ein. Sie spielt dort äußerst dramatisch Tschaikowsky. Es geht mir dabei aber nicht um Tschaikowsky. Es geht nicht darum, was, sondern wie sie spielt. Manchmal sieht sie dabei aus wie Franziska. Deswegen gucke ich das.

[zur Inhaltsübersicht]
    21. KAPITEL
    A ls ich am nächsten Morgen nach schlappen vier Stunden Schlaf das Präsidium betrete, kommt mir Miriam bereits im Flur aufgeregt entgegengestürmt.
    «Henning, komm schnell, das ist der Hammer. Es sieht aus, als hättest du wirklich recht. Wir haben jetzt etwas gegen den Bärtarsch in der

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