Toter geht's nicht
Hand.»
Es fällt mir schwer, sowohl ihrem Laufschritt als auch ihren Worten zu folgen.
«Wie, was?», hechle ich ihr mit Berlusconi an der Leine hinterher, da sind wir schon im Büro. Markus Meirich und Teichner stehen um meinen Schreibtisch herum.
«Was ist das?», frage ich, während ich auf einen Pappkarton blicke.
«Ein Geschenk vom Finanzamt», antwortet Teichner.
«Das Gießener Finanzamt hat Frank Drossmanns Schreibtisch geräumt und uns gebeten, seine persönlichen Sachen abzuholen», erläutert Markus.
«Und hier sind sie», trällert Miriam. «Na, mach schon auf.»
Ein wenig komme ich mir vor, als wär ich elf und es ist Heiligabend.
Ich nehme den Deckel ab. In der Kiste liegen eine Kassette und zwei Blatt Papier. Schnell ist mir klar, dass es die fehlende Kassette Nr. 167 ist. Auf einem der Zettel lese ich:
Herbert!
Da ich dich telefonisch wohl nicht erreichen soll und du dich ständig verleugnest – dann halt auf diesem Weg: per Brief.
Du weißt genau, ich hab den Pummel-Song geschrieben! Und ich kann es auch beweisen. Ich habe noch die Aufnahme von 1988 und auch einen handgeschriebenen Text. Du hast ihn ja kaum verändert. Es ist unglaublich dreist! Vor 20 Jahre als ich ihn dir vorgespielt habe, fandest du ihn scheiße und wolltest ihn auf gar keinen Fall aufführen. Und dann bringst du ihn auf deinen Namen raus. Betrüger!!!
Jetzt will ich das, wo mir zusteht. Ich biete dir folgendes an: entweder du überweist mir pauschal einen Betrag von 800 000 Euro oder ich mache alles öffentlich. Dann ist deine Kariere am Ende und es wird bestimmt noch teurer für dich. Lass uns das so lösen, ohne Öffentlichkeit. Das ist für uns beide besser. Aber zur Not lass ich mich auch anzeigen. Dann werd ich aber auch erzählen, wie viel Videos du von mir gekauft hast. Also, du merkst, ich mein es ernst. Ruf mich an. Meine Nummer steht auf der Rückseite.
KD
«Und das lag im Finanzamt einfach so rum?», frage ich.
«Na ja, die Box steckte in einer abgeschlossenen Schublade», antwortet Teichner.
«Den Brief hat Sohn Drossmann wahrscheinlich im PC seines Vaters entdeckt. Er hat die Datei dann wohl gelöscht, und es ist davon auszugehen, dass er dann auch Herr Bärt erpresst hat», sagt Markus.
«Und auf der Kassette …?»
«… sind mehrere Versionen des Liedes drauf. Mit und ohne Gesang», sagt Miriam. Sie boxt mir jovial gegen die Schulter.
«Henning, du Wunderbulle. Du hast richtiggelegen.»
Ich kann meinen Stolz nur schwer unterdrücken, lächle unsicher vor mich hin, lasse mich auf meinen Schreibtischstuhl sinken und atme tief durch.
Ich nehme den zweiten Zettel. Dort steht handgeschrieben das ganze Elend in Form des kompletten Textes von «Lass uns fummeln, Pummel». Dafür sind Menschen gestorben?
«Jetzt haben wir den Herr Ernie am Sack», grunzt Teichner.
«Wen haben wir?», fragt Miriam.
«Ei, den Herr Bärt natürlich. Ernie – Bärt? Verstehste? Klingelt’s? Na?»
Dann lacht er über seinen eigenen Scherz. Ebenso ausgiebig wie alleine.
Wir diskutieren noch eine Weile, wie wir weiter vorgehen wollen. Uns ist klar, dass wir nun ausgezeichnete Indizien für ein Mordmotiv von Herr Bärt haben. Aber Beweise, dass er die Morde begangen hat, haben wir nicht. Wir beschließen, uns noch nicht um einen Haftbefehl zu kümmern, sondern weiter zu ermitteln und Herr Bärt so schnell wie möglich in seinem Domizil in Bad Homburg zu besuchen. Außerdem wollen wir mit Carola Mörtelspecht von der Künstleragentur und mit Piepmaus Jennifer Siegl sprechen. Etwas unsicher sind wir bei der Frage, wie groß die Fluchtgefahr ist, wenn der Stimmungsmusikbarde sich nun mehr und mehr unter Druck gesetzt fühlen sollte. Da werden wir aufpassen müssen. Meine Güte, es läuft mal aber so richtig rund bei der Kriminalpolizei Oberhessen. Und das Verblüffendste dabei: Ich bin mittendrin.
Keine Stunde später steht der Gesprächstermin mit Herr Bärt. Markus Meirich hat ihn auf dem Handy erreicht und sich für 15 Uhr in Bad Homburg angekündigt.
«Wie hast du das geschafft?», frage ich. «Der redet doch nur noch über seinen Anwalt mit uns.»
«Ich habe mich so unterwürfig gegeben, dass er mir eine Audienz gewährt hat», antwortet Markus. «Außerdem habe ich gesagt, dass ich eh in der Nähe sei und nur ein paar kleine, kurze Fragen hätte, um die Fälle Drossmann abzuschließen. Ich denke, wenn wir zunächst keinen Druck aufbauen, wenn er sich sicher fühlt, dann könnte er ins Plaudern kommen.
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